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Ungarn, Rumänien I


Keine Reise ohne Ungarn


Das Blue Apartment und Krosno mit seinem schönen Marktplatz lassen wir nun hinter uns und begeben uns zur ca. 50 km entfernten Slowakischen Grenze. Die Slowakei durchqueren wir (leider nur, lieber Martin) in einem und fahren auf direktem Weg Richtung Ungarn. Hier ist die Slowakei relativ "dünn", gerade mal sind es 150 km von der polnischen bis zur ungarischen Grenze. Auch bis zur Ukraine im Osten sind es kaum mehr 100 km. Zunächst ist die Landschaft hügelig,  grün und bewaldet, wir fahren gut gelaunt auf wunderbarer Strecke und entlang eines großen Sees. Dann wird es zunehmend flacher, heißer und auch eintöniger. Wir durchfahren Ortschaften, die wir so nie zu sehen bekommen würden. Sie huschen an uns vorbei und im Augenwinkel nehmen wir auf jeder (Neben)Strecke Sequenzen, Augenblicke und kurze Eindrücke mit. Manche bleiben haften. Hier sind es die Dächer der meisten Häuser, die uns ins Auge stechen. Wir sehen Blech über Blech, nur wenige Bauten haben die üblichen Ziegeldächer. Manche Blechdächer scheinen sehr alt zu sein, andere wiederum neu. Sie glänzen besonders in der Sonne.

Aber ehe wir genauer über die Blechdächer nach gedacht haben, stehen wir auch schon an einem kleinen Grenzübergang zwischen der Slowakei und Ungarn.

Ungarn! Kein Weg führt an Ungarn vorbei! Ich kann mich an keine Reise erinnern , wo uns der Weg nicht durch Ungarn führte, zumindest nicht in den letzten 7 Jahren!  Auf der Hin- oder auf der Rückreise oder auf Hin- und Rückreise, kreuz und quer sind wir bereits durch`s Land gefahren. Piroschka, Salami, Gulasch, Plattensee und Budapest! Es ist wie in jedem Land, es gibt immer mehr als die üblichen Klischees! Jenseits der Europäischen Politik Ungarns (über die ich hier nicht sprechen möchte) haben wir noch keine einzige unfreundliche Ungarin oder unfreundlichen Ungarn getroffen.

Unsere Wahl fällt dieses Jahr auf die kleine Stadt Kisvárda im Nordosten des Landes. Die Ukraine ist auch nur  ca. 50 km entfernt. Knapp 20.000 Einwohner zählt die kleine Stadt.

Schöner kann es uns mal wieder nicht treffen. Das Appartement mit dem Namen "Garden Eden" empfängt uns in Form der Vermieterin sehr herzlich.  Sie zeigt uns alles geschwind, lässt die Schlüssel in Bert`s Hände fallen und ist auch schon verschwunden und lässt uns alleine. Allein mit dem Apartment, was eigentlich kein Apartment ist, sondern ein kleines Häuschen.

Das kleine Häuschen ist total schnuckelig und für unsere Bedürfnisse total überdimensioniert. Hier kann eine Großamilie samt Großeltern einziehen. Es hat 3 Schlafzimmer, eine Küche mit Sitzplatz, Bad und Terrasse. Die Motorräder parken direkt hinter dem gesicherten Tor neben dem Eingang an der Terrasse.  Keine Schlepperei in den x.ten Stock! In jedem Zimmer gibt es eine Klimaanlage und im ganzen Haus verteilt 4 Fernseher. Aber Vor Allem: Wir sind alleine, es gibt keine Nachbarn. Wir richten uns für 2 Tage häuslich ein und freuen uns über unseren kleinen Terassensitzplatz in direkter Nähe von Paul und Paula.

Nachdem wir uns im "Garten Eden" nieder gelassen haben, treibt uns der Hunger Richtung  Stadt. Es ist noch früh, aber wir wissen, dass besonders in den kleineren Städten Ungarns die Bürgersteige um 17.00 Uhr hoch geklappt werden und die Restaurants frühzeitig schließen. Wir laufen durch die kleine Fußgängerzone und uns knurrt der Magen. Pizza, Istanbul Grill, der für Döner und Pizza wirbt, eine Langos Bude, die wohl schon längst geschlossen hat. Wir laufen Kilometer um Kilometer, sind schon fast raus aus der Stadt. Also zurück zur Fußgängerzone. Unsere Gesichter werden immer länger!  In solchen Situationen muss man immer aufpassen, dass nicht zusätzlich der Haussegen schief hängt! Aber natürlich, wer suchet, der findet. Unsere  Gesichter erhellen sich ganz schnell wieder und wir freuen uns, bald vor einem vollen Teller sitzen zu können. Denn wir entdecken ganz unscheinbar am Ende der Fußgängerstraße ein unscheinbares Schild mit der Aufschrift "Etterem" (Restaurant), was den klangvollen Namen "Amadeus" trägt. Da müssen wir vorhin wohl dran vorbei gelaufen sein! Wir öffnen ganz vorsichtig die schmale, verspiegelte Tür des  Eingangs. Alle Tische des etwas dunklen aber großen Gastraums, der trotzdem ganz einladend wirkt, sind gedeckt. Kein Gast weit und breit. Wir erspähen eine Tür zum einen kleinen Innenhof. Hier gibt es auch ein paar Außentische, von denen wir einen auswählen können, denn wir sind ja die einzigen Gäste. Naja, es ist Dienstag , da ist vielleicht wie bei uns sowieso nicht viel los. Die junge Bedienung lächelt als sie uns erblickt, nein sie spricht nur ungarisch, als sie uns die Speisekarte vor die Nase hält! Die können wir ja sowieso nicht lesen und bevor wir uns mit dem Google Übersetzer auseinandersetzen, bestellen wir einfach "Cordon Bleu", da kann man sich nicht vertun. Während wir so bei einem kühlen Bier auf unser Cordon Bleu warten, beobachten wir einen Mann mittleren Alters - später stellt sich herausstellt, dass er Zsolt heißt - , der zum Restaurant zu gehören scheint, vielleicht ist er Chef oder es ist gar sein Restaurant .  Auf einen Propangaskocher stellt er einen großen Topf, Wannen von Gemüse werden herbei getragen. Genüsslich kippt er eine Gemüsesorte in den Topf. Es wird gerührt und zelebriert, dann kommt die nächste Gemüsesorte, es wird wieder gerührt und gerührt, zwischendurch kommen Gewürze dazu. Wir erkennen gelbe Spitzpaprika, rote Paprika, Zwiebeln, Tomaten. Zwischendurch erhalten wir unser Cordon Bleu. Als er bemerkt, dass wir gespannt zu schauen, ist er sichtlich erfreut und ruft uns auf deutsch "Guten Appetit" zu, läuft in den Gastraum und kommt mit einer Pulle Schnaps und 3 Gläsern zurück, gießt die Gläser - naja - ziemlich voll, sagt "Prost" und kippt sein Glas auf Ex. Er sagt noch und wir schmecken es, dass es Pflaumenbrand ist, lässt uns mit dem Cordon Bleu und unseren angenippten Schnapsgläsern allein und kehrt zu seinem Topf zurück und rührt weiterhin zelebrierend im Topf. Wir vertilgen  nicht nur das Cordon bleu sondern genießen auch Schlückchen für Schlückchen den Pflaumenschnaps, der zwar ein wenig in der Brust brennt, aber wirklich köstlich schmeckt. Tzold erklärt uns, dass er Letscho bereite, jenes Nationalgericht, dass man zu fast Allem isst, besonders zu Pörkölt, dem traditionellen ungarischen Gulasch. Nachdem wir vom Cordon Bleu schon pappsatt sind, bekommen wir noch eine Kostprobe vom Letscho. Unsere Höflichkeit gebietet es, das nicht abzulehnen. Das ist auch gut so, denn es schmeckt wirklich köstlich!

Also, wenn ihr mal in Kisvárda  Halt macht, dann schaut doch mal im Amadeus vorbei.

Vom Pflaumenschnaps beseelt verabschieden wir uns von Tzold und schlafen ganz besonders gut in unserem Garten Eden!

Den kommenden Tag vertrödeln wir einfach so, ein wenig Motorradpflege, ein wenig Körperpflege, Reisetagebuch aufholen, in der Fußgängerzone flanieren und Eis essen.

Vor Allem aber verbringen wir ziemlich viel Zeit mit der Diskussion, wie denn nun unsere Reise weiter gehen soll. Unserem Alter ist es geschuldet, dass wir nicht mehr impulsiv aus der Situation die Dinge entscheiden. Wir wägen ab, suchen Vor- und Nachteile, sind nicht mehr so spontan wie früher, nach dem Motto: "Ja, das machen wir einfach mal!" Jetzt heißt es : "Machen wir es oder machen wir es nicht?" 

Hier in Kisvárda müssen wir aber entscheiden, ob wir weiter Richtung Süden, Richtung Rumänien und Bulgarien fahren oder einen Schlenker über den Norden Rumäniens machen, um  Moldawien einen Besuch abzustatten. Im Jahr 2021 waren wir bereits schon einmal im Land, die Hauptstadt Chișinău haben wir damals ausgelassen. 

Es gibt so viele Fürs, aber auch so viele Dagegens. Letztendlich siegt doch unsere Abenteuerlust und die Exotik, die dieses Landes ausstrahlt und die uns schon damals so fasziniert hat! 

Dann fahren wir also jetzt nach Rumänien, denn  es sind noch gut 500 km und 2 Übernachtungen bis zur moldawischen Grenze


Rumänien, Stau im Kreisverkehr


Vom ungarischen Kisvárda trennen uns noch knapp 100 km bis zur rumänischen Grenze. Heiß ist es und der Fahrtwind bringt kaum Abkühlung. Als wir Nahe der rumänischen Stadt Satu Mare die innereuropäische Grenze überqueren wollen, wundern wir uns über Grenzkontrollen. Tatsächlich! Wir können nicht einfach durchfahren. Eine ziemlich lange Schlange von wartenden PKWs hat sich gebildet. Wir würden uns  gerne bis zum Grenzhäuschen im Schatten durchschlängeln, aber wir klemmen fest. Eine halbe Stunde klingt zwar wenig, wenn man denn in einem klimatisiertem Fahrzeug sitzt! Wir sind der prallen Sonne ausgesetzt und schwitzen in unseren Kombis, was das Zeug hält. Naja, auch diese halbe Stunde geht vorbei. Ein Blick in unsere Papiere an einem Kontrollhäuschen, ein Blick in unsere Papiere in einem anderen Kontrollhäuschen direkt neben dem Ersten und dann haben freie Fahrt in Rumänien.

Ganze 10 km fahren wir entspannt, dann müssen wir uns erstmals durch rumänischen Stadtverkehr quälen. Dicht an dicht kämpft man sich vor, Kreisverkehr um Kreisverkehr. Am dritten oder vierten Kreisel haben wir das System endlich begriffen. Man blinkt links, wenn man rum will oder rechts, wenn man direkt raus will. Wer da  Vorfahrt hat, wird uns allerdings nicht so richtig klar, aber ein System scheint dennoch dahinter zu stecken. So hatten wir Rumänien gar nicht in Erinnerung! Wir fahren durch Städte wie Baja Mare und Dej durch unzählige Kreisel und wurschteligem Verkehr bis zu unserem Ziel der Stadt Bistrița (Bistritz) im Nordosten Siebenbürgens, mit knapp 80.000 Einwohnern recht groß. Der Grenzübertritt und die Kreisverkehre sind Schuld, dass wir ziemlich gestresst ankommen. Zum Glück ist unsere private Unterkunft sauber, groß und zentrumsnah. Duschen, Umziehen, ein kleiner Spaziergang durch die Innenstadt und ein gutes Essen, in einem der unzähligen Lokale, in deren mit Menschen gut gefüllten  Außenbereiche, die Fußgängerzone säumen, lassen uns wieder auf Normalniveau runterkommen. Es ist auch nicht mehr so heiß, denn Bistritz liegt am Rande der Karpaten.

Unsere nächste Tagesetappe führt uns einmal quer durch die Ostkarpaten bis zum kleinen Städtchen Targu Neamt, an dessen Ostrand es sich befindet.

Wir fahren zunächst eine Nebenstrecke durch lang gezogene Kurven, dann geht es immer mehr auf und ab, Spitzkehren, Wald und wenig Verkehr. Das ist die Belohnung für gestern. So fange ich wieder an, das Land zu mögen. Auch fahren wir wieder durch  Endlosdörfer, die ich schon mehrfach in anderen Reiseberichten beschrieben habe. Wären da nicht die Ortsschilder, wüsste man gar nicht, wo eins anfängt und das andere aufhört. Da sie kaum Nebenstraßen haben, schlängeln sie sich kilometerweit an der Hauptstraße entlang. Manchmal schaue ich auf den Kilometerstand, das längste Dorf, was ich ausmache, misst 6 km von einem zu anderen Ende. Wir überholen wieder viele Pferdefuhrwerke und  machen die bereits platt gefahrene Pferdeäppel noch platter. Spielende Kinder winken uns zu, wenn sie uns erblicken. Kühe sind vor den Häusern angebunden und grasen vor sich hin und der ein oder andere Straßenhund überquert die Straße. Ältere, meist schwarz - und kopftuchbekleidete Frauen sitzen vor ihren Häusern und halten ein Pläuschchen. Jedes Dorf hat je nach Länge mindesten einen kleinen Tante Emma Laden mit Sitzplätzen vor der Tür, an denen meist Männer sitzen, rauchen und einen Frühschoppen in Form von Bier zu sich nehmen. Wir schlecken ein Eis aus einem kleinen Lädchen und während wir kurz auf der Bierzeltgarnitur Platz genommen haben, sinnieren wir über das rumänische Dorfleben nach. Auf uns wirkt das alles sehr gemütlich und macht einen entspannten Eindruck. Für die Menschen, die hier wohnen, ist das Leben aber sicherlich sehr anstrengend und von viel ländlicher und körperlicher Arbeit geprägt. Ob sie wohl das Wort Stress kennen? Wir fragen uns, wie die Arbeitslosenzahlen hier wohl aussehen und wie viele junge Menschen wohl abwandern. Einen Einblick bekommen wir natürlich nicht. 

Das entspannte Fahren hat spätestens kurz vor Targu Neamt ein Ende, denn es begrüßt uns mit einem... na, was wohl?... mit einem verstopften Kreisverkehr. Stopp and Go mit schleifender Kupplung geht es hinter einem stinkigen LKW her. Ab und an geht Paulas Ventilator an, ein gutes Zeichen, denn die Temperatur bleibt konstant auf Normalniveau. Ich/wir sind beruhigt.

Unsere Unterkunft ist ein Apartmenthaus  am Rande der Stadt. Wir hieven unser Gepäck mal wieder in  den dritten Stock, groß und sauber wie gewohnt. 

Mein lieber Mann findet auch gleich ein passendes  Restaurant mit dem verheißungsvollen Namen "Babylon", denn viel Laufen mögen wir heute nicht mehr.

Die nicht besonders gut gelaunte Kellnerin knallt uns die Speisekarte auf den Tisch und bedeutet uns, dass sie weder große Lust hat, uns zu bedienen geschweige denn nur einen einzigen Brocken einer Fremdsprache spricht. Das Wort "Birra" scheint sie allerdings zu verstehen, denn bevor wir den Übersetzer bemühen, stehen auch schon 2 halbe Liter vor uns.

Die Speisekarte jagen wir durch den Google Übersetzer. Der ist auch nicht besonders hilfreich, denn nach  paniertem Schweinhirn und Milben ist uns gerade nicht und riesen Rippchen mit Fleischstücken sind selbst für uns Fleischliebhaber to much! Und wie das meistens so ist, kommt doch gleich Hilfe in Form eines neben uns sitzenden Herrn an unsere Seite, übersetzt in Englisch und empfiehlt uns gleich ein einheimisches Gericht. Wir erhalten Polenta mit Spiegelei, Käse, geräucherte  Wurst und geräuchertes Fleisch. Mal wieder nicht gerade fettarm, aber wie immer sau lecker. 

Bevor wir uns von Rumänien und seine chaotischen Kreisverkehre verabschieden, wollen mit einem Frühstück und mindestens 2 Tassen Kaffee gestärkt ins ärmste Land Europas reisen. Da wir für die nächsten 2 Nächte ein Hotel mit Frühstück gebucht haben, verbrauchen wir nun noch unsere letzten spärlichen, aber verderblichen Vorräte. Sie bestehen aus einem fast aufgebrauchtem Glas Marmelade, 3 Scheiben (noch aus Ungarn importierte) Salami, Margarine und etwas Weißbrot. Obwohl das Apartment üppig groß und gut ausgestattet ist, die Küchenausstattung hat allerdings ganz viel Luft nach oben. Zum Glück können wir dank unserer Reisekaffeemaschine Kaffee kochen. Wir öffnen alle Schränke, die meisten sind leer, aber wir finden dann doch 2 Teller, dazu gehöriges Besteck und ein paar kleine Kaffeetassen samt Untertassen. Die Mikrowelle nutzt uns wenig, aber dafür haben wir eine nigelnagelneue Seranfeldkochplatte. Sie ist noch original verpackt und wir dürfen jetzt testen, ob sie auch funktioniert. Denn schon gestern haben wir eine mini Bratpfanne ausfindig gemacht und mein lieber Mann hat es sich nicht nehmen lassen, 4 Eier im Tante Emma Laden nebenan zu kaufen.  Und tatsächlich! Es riecht zwar so wie neues Elektrogerät nach dem ersten Gebrauch riecht, aber in der Pfanne gart nun ganz geruhsam ein Spiegelei nach dem anderen. Bis das Letzte fertig ist, ist das Erste bereits kalt. Mein Mann ist ja Gentleman und ich bekomme die beiden zuletzt Gebrutzelten!

Dank dieses üppigen Frühstücks können wir nun doch gestärkt unsere Reise ins ärmste Land Europas antreten!

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Kommentare: 2
  • #1

    Birgit (Montag, 02 September 2024 16:56)

    Hallo ihr Lieben
    Wie immer muss ich automatisch weiterlesen . Immer wieder schön von euren Erlenissen zu lesen �
    Wir wünschen Euch weiterhin eine spannende und auch erholsame Zeit.
    Lasst es euch gut gehen.

  • #2

    Christian Hammann (Dienstag, 03 September 2024 10:38)

    Also diese Kreisverkehrsregelung müssen wir noch einmal in Ruhe besprechen. Alles wieder ,als wäre man mittendrin im Geschehen. Liebe Grüße und weiter gute Fahrt. Chrischaaan