· 

Estland


Alles easy in Eesti


Länger hätten wir in unserem kleinen Apartment in Salacgrīva in Lettland  nahe der Estnischen Grenze nicht sein mögen!

Die eine Nacht in einem engen Bett hat gereicht. Wir haben Beide schlecht geschlafen. Das war aber nicht nur der schlechten Matratze geschuldet war, sondern einer äußerst skurrilen Begebenheit mit einem Nachbarn. Am späten Nachmittag, nachdem wir unser Gepäck in unsere - diesmal ebenerdige Unterkunft eines privaten Backsteinhauses in einer ruhigen Seitenstraße mit wenigen Wohneinheiten - gebracht hatten, wir die Tür einen Spalt breit zum Lüften mit dem Spruch: "hier kommt sowieso keiner vorbei!" auf gemacht hatten , wir alles irgendwie in der Enge das Raumes zweckmäßig untergestellt hatten, eine Tasse Kaffee aus unserer Reisekaffeemaschine (die wir dieses Jahr zum Glück auch wieder dabei haben) geschlürft hatten, wir gerade überlegt hatten, einen kleinen Spaziergang zu unternehmen und ich mich gerade - nur mit einem Slip und einem T-Shirt bekleidet -umziehen wollte, wurde mit einem Mal aus dem nichts heraus plötzlich die Tür ohne anzuklopfen aufgerissen. Im Eingang stand ein Mann. Ein Kerl von Mann!  Alter: irgendetwas zwischen 40 und 50, braune, ausgelatschte Schlappen, kurze Jeans, schmieriges blaues T-Shirt unter dem sich ein mächtiger Bierbauch verbarg. Ähnlich wie der KGB Mensch aus Kolka hatte er Halbglatze und Stiernacken. Bevor ich überhaupt etwas sagen konnte - mir viel vor Fassungslosigkeit sowieso nichts ein - schrie er, nein, er tobte. Und in abgehacktem Englisch preschten mir Worte entgegen wie: "No parking!" "No bikes!" "Away!" "Twenty Euro!" "This is my land!" "5 minutes!" Dann knallte er die Tür zu und so schnell wie er gekommen war, war er auch schon wieder verschwunden.  Mein Mann konnte erst Recht nichts sagen, denn der saß zur Zeit auf der Toilette! Mit verdattertem Blick kam er aus dem Bad. Ich rang nach Luft! "Was war das denn?" Anscheinend hatten wir falsch geparkt, das war klar. Aber der Vermieter (mit dem wir nur Whats App Kontakt hatten) hatte uns doch zuvor geschildert, dass wir genau da parken sollten, wo Paul und Paula jetzt standen. Wir lasen noch einmal nach, ja, wir standen absolut  richtig, der Vermieter hatte sogar Fotos geschickt nach. Aber ohne groß zu auf unser Recht zu pochen, parkten wir kurzerhand ehrfürchtig unter dem Blick des schmierigen Stiernackens, der uns mit verschränkten Armen beobachtete, um und stellten die Motorräder auf die Straße vor dem Haus. Hoffentlich standen sie hier jetzt richtig! Wir nahmen erneut Kontakt mit dem Vermieter  auf, um den Vorgang zu schildern. Er versuchte, uns mit den Worten: " Oh, the neighbour, I know, he is crazy, I will talk to him!" zu beruhigen.

So beruhigend empfanden wir, vor Allem ich,  seine Worte allerdings nicht. Wir verbarrikadierten uns für die Nacht ( ich prüfte mehrmals, ob die Tür auch verschlossen war) und hofften darauf, Paul und Paula unversehrt am nächsten Morgen dort wieder zu finden, wo sie jetzt standen. Solchen Menschen traut man doch alles zu: Lack zu zerkratzen, Reifen zu zerstechen oder die Maschinen einfach umzuschmeißen!

An eine ruhigen Schlaf war also nicht zu denken und etwas gerädert blickten wir als erstes aus dem Fenster. Paul und Paula standen aber ganz normal und unversehrt dort, wo wir sie umgeparkt hatten. Alles war ruhig. Der Tag konnte beginnen!

Zwischen Spiegeleier brutzeln und Zähne putzen, kämmen ohne Spiegel und Geschirr spülen - alles an einem Ort - sahen wir zu, Salacgrīva - aber der Ort kann ja nichts dafür - so schnell wie möglich zu verlassen.

Keine 15 Kilometer waren es bis zur estnischen Grenze...Grenze?... Wie wichtig ist doch ein offenes Europa, wo man einfach so wie hier von einem Punkt mit einer rot/weiß/roten Fahne zu einem Ort mit einer blau/schwarz/weißen Flagge fahren kann, keine lästigen Kontrollen und Wartezeiten! So wie nach Frankreich, Dänemark, Polen oder Österreich fahren wir durch und stehen ohne Umschweife in einem anderen Land. Die Landschaft wechselt nicht, flaches Land, viel Wald, wenig besiedelt, die Straßen einwandfrei. Alles sieht ein wenig wie Puppenstube aus, so sauber und gepflegt ist alles. Überall ist Rasen gemäht und bunte Tupfen aus Blumen - meist lila/pink/weißfarbene Petunien ( vielleicht waren diese gerade im Angebot! ) - lockern das grüne Bild auf. Liebevoll bepflanzte Rabatten, Kübel überall in privaten Gärten  oder auf öffentlichen Plätzen, nirgends liegt auch nur ansatzweise Müll rum, Mülleimer sind überall aufgestellt und quillen  nicht über.

 

Estland, oder  auf estnisch: "Eesti" ist das nördlichste und zugleich kleinste der sogenannten Baltischen Staaten. Sie haben alle ein ähnliches Schicksal gemein, so waren alle Drei ehemalige Sowjetrepubliken und wurden 1991 nach dem Zerfall der Sowjetunion unabhängig. Natürlich gibt es aber auch viele kulturelle Unterschiede. Die Sprache z.B.: während sich Lettisch und Litauisch ähneln, gehört das Estnisch aber zur finnisch-ugurischen Sprachfamilie und ähnelt daher dem Finnischen und Ungarischen und scheint die Sprache mit den meisten Doppelvokalen zu sein. Wir lesen Wörter wie: "Stuudio", "Kraater",  "Kuur-Hotel" oder "Kultuur".  Auch in ihren Religionen unterscheiden sich die Staaten. Während man in Litauen überwiegend katholisch ist, sind die Letten mehrheitlich evangelisch/lutherisch und in Estland evangelisch und orthodox.

Nur um einige Unterschiede zu nennen.

 Unser nächstes Ziel ist die Stadt Kuressaare, auf der im Süden gelegenen Insel der viertgrößten Ostseeinsel mit dem Namen Saareema. Um nach Saareema zu gelangen, muss man zunächst mit der Fähre von Virtsu auf dem Festland auf die kleinere Insel Muhu gelangen, von dort führt ein Damm auf Saareema. Die Fähren fahren alle halbe Stunde und dauern ca. 30 Minuten. Auf manchen Internetportalen wird geraten, die Fähre Online zu buchen, um lange Wartezeiten zu vermeiden. Wir fahren einfach so auf gut Glück hin und - obwohl Saison ist - siehe da, es ist nicht voll, wir bezahlen 9,15 pro Person und Motorrad. Alles geht sehr zügig. Reinfahren, sich einweisen lassen, Parkposition einnehmen und schon wird abgelegt. Es gibt auf der kurzen Überfahrt sogar ein Self-Service-Restaurant, Ruhesitze und ein Sonnendeck. Wir haben das Gefühl, kaum hat die Fähre abgelegt, haben wir auch schon wieder angelegt.

In Kuressaare befindet sich unsere Ferienwohnung fußläufig zum Stadtzentrum Alles ist via Nachricht bestens beschrieben. Auch die Schlüsselübergabe. Sie erfolgt meist ganz praktisch ohne persönlichen Kontakt, oft gibt es Schlüsselkästen mit Code. Hier aber liegt der Schlüssel ganz versteckt unter einem Stein.

Dieses Mal hat es uns wieder so richtig gut erwischt. Ein großes Wohn- Esszimmer und alles, was man braucht, von der  Bratpfanne bis zur Kaffeemaschine und  ein separates Schlafzimmer hat es auch. Alles ist sauber und geschmackvoll eingerichtet. Diese zauberhafte Unterkunft befindet sich wieder in einem alten Sowjetbau.

Die Bischofsburg Arensburg, erbaut im 14. Jahrhundert, ist das Prunkstück der Stadt. Das große, sehr gepflegte Anwesen mit Parkanlage liegt direkt an der Ostsee. Die Burg beherbergt heute ein Museum und wir erfahren sehr viel über die Estnische Geschichte, wir schließen mal wieder die ein oder andere Wissenslücke.

Vor Allem haben wir eins: Immer wieder Glück mit dem Wetter, das kann man nicht oft genug betonen. Die Sonne strahlt und während ihr in Deutschland schwitzt, haben wir angenehme 23 Grad.

Im Zentrum sitzen die Menschen in den Straßencafés, alleine oder in kleinen Grüppchen, halten die Köpfe in die Sonne oder unterhalten sich angeregt. Alle scheinen bestens gelaunt!

Auf dem Festland geht es - wie bereits beschrieben - vor Allem im Straßenverkehr ja ganz gemütlich zu, aber hier auf der Insel scheint man noch einen  Gang weiter herunterzuschalten. Im gesamten Zentrum sind 10 km/h erlaubt, also in etwa Schritttempo.  Hier hält sich tatsächlich jeder dran, wirklich jeder! Alle schleichen vor sich hin und will man als Fußgänger die Straße überqueren, braucht man nicht einmal einen Zebrastreifen. Egal wo, es hält jeder Autofahrer, sogar, wenn er einen von weitem sieht und nur erahnen kann, dass man  auf die Straßenseite wechseln möchte. Er hält! 

Wir kosten Wetter und Entspanntheit bis zur Dämmerung aus!

Eine Sehenswürdigkeit von Saareema wollen wir noch mitnehmen bevor wir die Insel wieder verlassen: den Meteoritenkrater von Kaali.  Er ist der Hauptkrater eines vor 4000 Jahren eingeschlagenen Meteoriteneinschlags. Für uns sieht er aus, wie ein Tümpel im Wald, für Wissenschaftler ist etwas ganz Besonderes! Wir staunen trotzdem.

Das Kaiserwetter hält an und wir fühlen uns auch so! Die Sonne lacht von oben auf uns herab, kaum ein Wölkchen am Himmel und unsere Laune ist, na was wohl? Topp! Zurück geht es wieder über den Damm nach Muhu und mit der Fähre auf`s Festland. Wir fahren von hier aus ins Herz Estland, des kleinen, 10000 Einwohner zählenden Städtchens Paide ( zu deutsch: Weißenstein). "In the Heart of Eesti", wie uns unser Vermieter schriftlich mitteilt. Auch hier klappt alles perfekt ohne physische Anwesenheit des Vermieters. Die Schlüssel zu unserer Wohnung finden wir in der codierten Schlüsselbox am Eingang. Auch hier ist das Apartment modern, liebevoll eingerichtet und blitzeblank sauber, so dass man sich sofort wohl fühlen kann.

Auf einer Nebenstrecke fahren wir Richtung Narva, der östlichsten Stadt Estlands und letzte Bastion des Landes und der EU vor dem Russischen Reich!

Narva ist mit ca. 60.000 Einwohnern die Drittgrößte des Landes. Es ist immer noch Kaiserwetter und die Nebenstrecke bietet noch weniger Verkehr als üblich und die langgestreckten Kurven kann man einfach  nur genießen. Kaum Orte, viel Wald und Feld!

In Narva erwartet uns, na was wohl? Schon wieder eine private Unterkunft in einem der vielen immer gleichaussehenden weißen Sowjetbauten. Wir bevorzugen einfach solche privaten Unterkünfte, auch wenn sie so manches Mal schwer zu finden sind und uns die ein oder  Minute extra an Zeit kosten, ziehen diese vor Hotels vor. Wohnungen, in denen man alleine ist, sich ausbreiten kann und wenn man will, sich auch selbst versorgen kann.

Natürlich könnte man jetzt eine Diskussion entfachen, denn diese "Ferienaparments" sind ja meist private Wohnungen in Mietshäusern. Sicher nehmen sie Einheimischen den Wohnraum weg, das wir ja auch bei uns diskutiert. Aber an dieser Stelle möchten wir da nicht näher drauf eingehen!

Mittlerweile haben wir es wirklich raus, diese Unterkünfte ganz punktgenau zu finden, auch wenn sich unsere verschiedenen Navigationssysteme oft uneinig sind. Aber lieber die Navis streiten sich als mein lieber Mann und ich!

Unerheblich ist die Hausnummer, die steht nämlich nirgends angeschrieben, es gibt nur Blocknummern, die selten auf den Fassaden geschrieben stehen. Es geht maßgeblich nach Wohnungsnummern und nicht wie bei uns  nach Hausnummern. Wenn man einmal den Block gefunden hat, ist es ganz einfach, man muss nur diesen Wohnungsnummern folgen, die draußen an von ... bis... an der Eingangstür stehen. Also, wenn ihr einmal im Baltikum unterwegs seid (bzw. in den ehemaligen Sowjetrepubliken)  und private Unterkünfte gebucht habt, wisst ihr jetzt Bescheid! 

 

Narva, die Stadt am gleichnamigen Fluss, ruft einige Erinnerungen in uns wach und wir werden nostalgisch und wehmütig. Hier vor fast genau 5 Jahren sind wir von unserer bisher größten und abenteuerlichsten Reise nach einer langen Zeit in die EU zurück gekehrt.

Jetzt stehen wir an der Burg namens Hermannsfeste, einer mittelalterlichen Burg am Ufer der Narva  und blicken hinüber, hinüber nach Russland auf die Burg von Iwangorod, die sich jenseits des Flusses befindet, in der Mitte die Grenze. Erbaut wurde sie vom Zaren Iwan III.  Zwei Burgen, zwei Länder, zwei Welten. Dazwischen eine Brücke: der Grenzübergang. Über diese Brücke sind wir gefahren von Ivangorod nach Narva, haben uns über die EU-Grenzbeamten geärgert, die uns gefilzt haben, als wären wir die schlimmsten Schmuggler! Echoviert haben wir uns damals,wir, die sonst so stolzen EU-Bürger!

Aber das ist längst Vergangenheit! In Europa herrscht seit über 2 Jahren Krieg und wir Zuhause in unserem so sicher gefühlten Deutschland sind - geben wir es zu - dem gegenüber so langsam ziemlich abgestumpft und der Diskussion von Waffenlieferungen an die Ukraine überdrüssig.

Hier stehen wir nun, ganz dicht am verstacheldrahten und mit hohen Zäunen umgegebenen Grenzübergang, ganz, ganz nah. Dieser Grenzübergang ist jetzt nur noch für Fußgänger. In der Mitte der Brücke sind Panzersperren aufgestellt. Wir vermuten seitens Estlands bzw. der EU. Warum, das kann man sich sicher vorstellen. Laut Wikipedia sind 95% der Einwohner Narvas Russen.

Ein wenig erinnert mich das Ganze an die innerdeutsche Grenze, an der ich aufgewachsen bin.

Damals, als 1989 die Mauer viel und später die Sowjetunion zerbrach, dachten wir, wir hätten den kalten Krieg überwunden....!

Die Schlangen der Wartenden auf beiden Seiten sind ziemlich lang und in kleinen ein- bis Zweiergrüppchen passieren sie in entgegen gesetzten Richtungen über die Brücke. Wir sind so nahe, dass man miteinander sprechen könnte und am liebsten würde ich sie über ihre Beweggründe befragen und hinüber rufen: " Hey, was wollt ihr da drüben? Freunde, Verwandte besuchen? Wie lange bleibt ihr? Wohin wollt ihr?" 

Busse, so beobachten wir, halten vor der Grenze und spucken Passagiere aus. Mit der Aufschrift: " Travel to Moscow, to St. Petersburg, to Riga, to Tallinn. Jenseits der Grenze halten sicher die gleichen Busse.

Viel hat Narva ansonsten nicht zu bieten. Die Stadt wurde in den Jahren 1940 - 44  nahezu komplett zerstört. Die Sowjets hatten danach kein Interesse, die historischen Gebäude wieder zu rekonstruieren und wieder aufzubauen, es entstanden die üblichen weißen Ziegelblocks, wovon einer davon nun unsere Unterkunft beherbergt.

Wir essen auf der Terrasse eines kleinen, versteckten Lokals. Neben uns tafelt ein Gruppe, sie sprechen russisch und bedienen das Klischee: laut, ohne Benimm und Vodka trinkend! 


Sehr nachdenklich verlassen wir Narva, dem nördlichsten Punkt unserer Reise.

Von nun geht es nur noch Richtung Süden. Hatten wir uns nicht vor genommen, Ruhe und Seen Landschaft zu genießen? Ruhe vermitteln einem die "Eestis" sowieso und Seen haben sie auch. Allen voran der Peipussee, dem fünftgrößten See Europas, dessen Gebiet sich Estland und Russland teilen. Mit einer Fläche von 3555 km² ist er sieben!!! Mal so groß wie der Bodensee.

So viele Ortschaften gibt es entlang seines Estnischen Ufers nicht und dementsprechend sind auch die Unterkünfte rar. Außerdem ist Wochenende, fast alles ist ausgebucht oder zu teuer . Wir verabschieden uns von dem Gedanken, an diesem riesigen See zu nächtigen, fahren aber entlang seines Ufers. An nur wenigen Stellen hat man freie Sicht.

Was es hier zu erstehen gibt, sind Räucherfische.  Wir halten an einem der vielen Stände. Die nette, junge Verkäuferin hat eigens eine Übersetzungsliste der zu verkaufenden Fische. Zur Auswahl stehen Brassen, Forellen, Barsche und Zander. Wir erstehen einen fast 1 Kg schweren Zander zu einem für uns erschwinglichen  Preis. Noch warm nehmen wir ihn in Empfang. Nebenan erstehen wir Tomaten und Gurken. Perfekt für unser Abendessen. Wie gut, dass wir erahnen, dass wir heute vielleicht weitab eines Restaurants oder Ähnlichem übernachten werden.

Eine alternative Übernachtung ist schwer zu finden!

An einem See... nein...nicht an irgendeinem See, sondern am Größten des Baltikums, mit dem fast unaussprechlichen Namen Võrtsjärv, von dem wir aber noch nie gehört haben, der zu deutsch "Wirzsee" heißt (das ist einfacher), finden wir schließlich etwas.  Es erwartet uns laut Buchungsportal eine Erholungs- und Ferienanlage mit Stellplätzen für Camper, rustikalen Blockhütten und im Haupthaus mit Zimmer diverser Kategorien. Ein  Restaurant und Wlan bietet es leider nicht, aber eine Bar, wo man Snacks einnehmen könnte. Der Preis für unser Zimmer für 2 Personen erscheint uns mit 80,- Euro die Nacht recht passabel, denn um am größten See des Baltikums übernachten zu dürfen, muss man eben etwas tiefer in die Tasche greifen. Als wir in die kleine Anlage fahren, wirkt alles ruhig und friedlich, die Lage am See scheint nahezu perfekt. Der Camperparkplatz in direkter Lange am See, ist schon gut gefüllt, das Haupthaus ist leicht versetzt und durch die Straße getrennt, ist etwas versetzt und ein kleiner, strandähnlicher Abschnitt mit Zugang zum See und Steg lädt zum baden ein. Der Himmel hat sich ganz schön zugezogen und es ist mit 18 Grad ziemlich frisch. heute werden wir wohl nicht baden.

Umso enttäuschender ist es, denn die  Anlage entpuppt sich als bessere, nein, als schlechtere Jugendherberge. Wir machen lange Gesichter, als uns die "Herbergsmutter" unser Zimmer zeigt. Ich habe gleich eine Assoziation zu einer Klassenfahrt Mitte der siebziger Jahre in den Harz: 3 Doppelstockbetten, ein Tisch, weniger Stühle als Bewohner, Ungemütlichkeit, dürftiges Design und Neonlicht, kratzige Decken, die man selbst beziehen muss. Damals war mir so etwas völlig egal, wichtiger waren die Gespräche mit meinen Freundinnen über die erste Liebe und was für Neuigkeiten in der Bravo standen (die ich damals nur heimlich gelesen habe!) Wir haben nun 50 Jahre später und dieses Mal sind wir zu zweit, haben aber auch 6 Betten. Damals habe ich mit meinen Mitschülerinnen ausgelost, wer wo schlafen soll. Ich wollte damals immer oben schlafen.  Heute losen wir nicht, wir bevorzugen die unteren Betten - da muss man mit unseren alten Knochen nicht die steile  Leiter runter kraxeln, wenn man nachts mal raus muss. Ich mache mich gleich ans Betten beziehen und so kratzig wie die Wolldecken von früher sind diese hier nicht. Allerdings täuscht die bunte Tapete an zwei Wänden nicht über die Nüchternheit dieses Raums hinweg. Aber im Gegensatz zu früher, haben wir ein eigenes Bad, bestückt mit 2 kleinen Gästehandtüchern - wir schauen uns um - keine Duschhandtücher. Auf Nachfrage bei der Herbergsmutter muss man diese für 3 (Drei!) Euro das Stück ausleihen. Nein danke! Wir haben ja 2 Strandtücher dabei! Es hat noch einen weiteren kleinen luxuriösen Unterschied zur Herberge von damals, den einer kleinen Terrasse. Aber diese können wir leider nicht nutzen, es steht nur ein unbequemer, harter Holzsessel ohne Auflagen drauf und Tisch und Stühle von drinnen passen nicht durch die Tür.

Ohne Umschweife machen wir uns gleich frisch (,trocknen uns mit unseren Strandlaken ab) und begeben uns auf einen Zug durch die Anlage, inspizieren die Holzhütten, die kein eigenes Bad haben, aber ähnlich günstig sind, wie unser Zimmer. Die sanitären Anlagen hier sind sicher noch aus der Sowjetzeit. Die Wasserhähne setzen schon leichten Rost an, aber es gibt richtige Toiletten, keine Plumpsklos. Die Snackbar ist eigentlich der Frühstücksraum, die Eis Truhe leer, die Dose Bier kostet 5 Euro und die im Portal erwähnten Snacks sind ein paar Schokoriegel.

Wir wissen schon, warum wir in weiser Voraussicht, dass wir eventuell nichts zu essen bekommen, den Fisch gekauft haben! Mit Zander, Tomaten und einer Dose Bier aus unseren eisernen Vorräten bewaffnet, decken wir unseren Tisch an einer Bierzeltgarnitur. Wir bekommen sogar 2 Teller und Besteck unentgeltlich von der Herbergsmutter. Wir knacken den Ring an der Bierdose nach unten. Prost! Der erste Schluck ist der Beste! Wir schneiden die frischen Riesentomaten und Gurken, mit Salz und Pfeffer könnten sie nicht besser schmecken! Mein Mann filetiert fast fachgerecht, den Zander, der wahrscheinlich noch gestern im Peipussee geschwommen ist, über Nacht mild geräuchert wurde und nun auf dem Tisch der Bierzeltgarnitur zum Verzehr bereit liegt. Guten Appetit! Wenig Gräten hat er und schmeckt so gut, wie ein frisch geräucherter Zander nur schmecken kann. Köstlich!

Dass es zwischenzeitlich angefangen hat zu regnen, stört uns wenig, denn wir sitzen ganz geschützt unter einem riesigen Sonnenschirm an unserer Bierzeltgarnitur!

Wir schlafen diese Nacht aber besonders gut jeder in seinem unteren Bett unserer Jugendherberge. Es ist wunderbar  still die Nacht, die Nacht am Võrtsjärv/ Wirzsee!

Frühstück gibt es auch, sogar ohne Aufpreis, da gibt es nichts weiteres zu meckern, denn es gibt Kaffee satt anstatt Hagebuttentee!

... Und die Herbergsmutter war nicht so eine resolute ältere Dame wie früher sondern ein eigentlich freundliches, junges Mädchen -!

Auf unserem Reiseplan steht nun noch das dritte baltische Land: Litauen! 

Kommentar schreiben

Kommentare: 5
  • #1

    Stefanie (Montag, 19 August 2024 20:55)

    Hallo ihr Beiden. Diesmal lese ich deine Berichte ohne Angst und Sorge um euch. Es scheint ja alles zu passen, die Motorräder laufen, das Wetter spielt mit und die Unterkünfte... nun ja. Habt noch eine schöne Zeit. Liebe Grüße

  • #2

    Christian Hammann (Dienstag, 20 August 2024 09:11)

    Liebe Freunde: Da hatte ich ja mit Igor noch Glück, wie er vor mir stand...Wieder ein Tagebuch aus dem Leben, bin begeistert und drücke weiter für alles die Daumen. Liebe Grüße Chrischaaan

  • #3

    Martin Blazko (Dienstag, 20 August 2024 12:55)

    Am Abend bei einem Bier eure Reiseberichte zu lesen ist für mich einfach nur die Beste Erholung. Ich freue mich, dass es euch gut geht. Ich wünsche euch weiterhin viel Gesundheit und Spaß

  • #4

    Heidrun (Dienstag, 20 August 2024 19:27)

    bin neidisch auf den Zander…..

  • #5

    Sabine (Mittwoch, 21 August 2024 16:07)

    Wir freuen uns, dass bei euch alles soweit in Ordnung ist. Wir warten jetzt auf den nächsten Bericht! LG