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Travemünde - Liepaja (LV), Lettland I

An Alle, die unsere Reiseberichte verfolgen und - wie es aussieht - mit Interesse lesen:

Wir freuen uns riesig,  weil sich seit der Veröffentlichung dieser Seiten immer mehr "Fremde" einschleichen. Wir freuen uns riesig, dass wir so viele Leser haben! Waren diese Seiten ursprünglich doch einmal für Freunde gedacht, die einfach nur wissen wollten, was bei so  langen Reisen alles passiert. Ich schreibe aber auch ganz egoistisch  für mich, um das Erlebte noch einmal Revue passieren zu lassen und um Erinnerungen wach zu halten.

Was wirklich erstaunlich ist, dass uns so viele nette Kommentare erreichen! Und das ehrt uns sehr! Ganz lieben Dank, dass ihr diese Kommentarfunktion nutzt! Nur leider gibt es keine Antwortfunktion. Daher bedanken wir uns bei jedem Einzelnen von euch auf diesem Weg! 

DANKE! DANKE! DANKE!

So, und nun ran an den ersten Reisetagebucheintrag:


4 Tage Lettland von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt


Es kommt so, wie wir es uns vorgestellt haben: Am Freitag, ein paar Tage vor Abreise können wir die Paula aus der Werkstatt holen. Unser KFZ-Meister hat alles gecheckt, den neuen Ventilator überprüft und eine Probefahrt gemacht! Alles scheint zu funktionieren. Abfahrtbereit mit frischem Kühlwasser und neuen Lenkkopflager steht die PAULA und auch ihr Partner Paul in unsere Garage!

An die neuen Namen müssen wir uns erst gewöhnen.

Ein paar Tage vorher immer das Gleiche: Wozu immer diese Hektik? Ich kann sie einfach nicht abstellen!

Einen Tag vor Abfahrt sind wir dann doch fertig. Rund ums Haus ist alles erledigt, der Rasen gemäht, der Hof gefegt, die Pflanzen gegossen und  Instruktionen an alle üblichen Beteiligten sind erteilt. Die Koffer befestigt, die Packtaschen aufgeschnallt, Navis und Actioncams auf Standby.

Es ist hochsommerlich warm als wir an einem Mittwoch im August los fahren. Harry und Sally waren es gewohnt, Paul und Paula müssen sich erst noch an ihr Packeseldasein gewöhnen.

Immer, wenn  wir das Ortsausgangsschild unseres Dorfes passieren, empfinde ich - wie bereits in vergangenen Blogs erwähnt - eine Art Glücksgefühl, das aber auch immer ein Mix zwischen An- und Entspannung ist!

Was wird uns wohl erwarten?

Unsere Reise beginnt dieses Jahr mit einer Fährfahrt. Wir müssen pünktlich am Anleger in Travemünde sein, spätestens um 18.30 Uhr. Jetzt haben wir es 10.00 Uhr, also genügend Zeit, rum zu trödeln, genügend Zeit auf den 250 km, diverse Pausen einzulegen, zu tanken und Proviant für die Überfahrt nach Liepaja in Lettland einzukaufen. Die Kilometer auf der viel befahrenen B4 durch die Heide ziehen sich langweilig bei hochsommerlichen und schwülen Temperaturen dahin. Es herrscht nahezu Windstille, die Windräder in den vorbeiziehenden Windparks drehen sich im Zeitlupentempo. In manchen Ortschaften gibt es Stopp and Go und rote Ampeln. Ein guter Stresstest für  Paulas Kühlsystem. Sie scheint  prima durchzuhalten, denn es passiert... NICHTS! Das ist ein beruhigendes Gefühl. Mag es hoffentlich die gesamte Reise so sein!

Viel zu früh stehen wir am Skandinavienkai in Travemünde, wo sich trotzdem schon eine kleine Schlange von Wartenden gebildet hat, PKWs, Transporter Motor- und Fahrräder sind ebenfalls viel zu früh. Ein paar verrückte Harleyfahrer und eine lettische Suzuki stehen ganz vorne am geschlossenen Schlagbaum, hinter uns ein Engländer mit einer Goldwing. Direkt vor uns aber steht eine blitzblanke, blaue kleine Vespa, namens Herr Freitag. Das erfahren wir von seinem Fahrer Matthias aus Höxter, mit dem wir schnell ins Gespräch kommen. Wir Drei versüßen uns die Wartezeit mit angeregten Gesprächen. Zu Matthias haben wir gleich einen Draht! Das Tohuwabohu von Zuhause ist schnell vergessen und unsere Reise beginnt gleich  mit netten Menschen.  Auch das lieben wir, wie ihr wisst, an unseren Reisen: den offenen, legeren Kontakt zu angenehmen, interessanten Menschen! 

Die schwüle Hitze verwandelt sich langsam in Regen. Erst beginnt es zu tröpfeln, dann verwandeln sich die kleinen Tropfen in einen größeren Schauer und bis es gefühlte Stunden später ans Einchecken geht, regnet es vor sich hin, mal mehr, mal weniger. Von einem lettischen Transporter-Fahrer erhalten wir freundlicherweise einen kleinen Regenschirm. DANKE! Bzw. peinlich! Denn wir haben ja auch 2 "Knirpse" dabei, nur tief im Gepäck vergraben!

Aber es ist auch noch Unwetter  angesagt, hoffentlich sind wir bis dahin an Bord! Als sich bereits der Himmel in ein gefährlich  fast tiefes Schwarz verwandelt und wir befürchten schon, auch das noch über uns ergehen lassen zu müssen, aber gerade rechtzeitig öffnet sich endlich der Schlagbaum. Das Einchecken verläuft problemlos und zügig, wir erhalten auch gleich unsere Voucher fürs Frühstück, samt Kabinennummer mit Schlüssel. Zoll - und Passkontrolle gibt es nicht Die Fähre hat ihren Schlund geöffnet und wir dürfen auf ihrer regennassen, ölverschmierten Ladefläche einfahren. Die Harleys und Herr Freitag sind vor uns. Von einem derben und resoluten Fährarbeiter werden wir eingewiesen, wo jedes Handzeichen sitzt. Wir müssen  rangieren! In kleinen Schritten vor und zurück bugsieren wir in die uns zugewiesene Parkpositionen. Während mein lieber Mann ganz galant und zügig  seine Maschine einparkt, laufen mir mal wieder die üblichen Angstschweißperlen in den Helm. Ich brauche ein paar mehr Vor und Zurücks. Ich hasse Rangieren! Nicht ganz so galant erreiche auch ich unter skeptischem Blick des Vorarbeiters die richtige Position zum Verzurren. Wir bekommen Spanngurte, um die Maschinen in die dafür vorgesehenen Ösen festzuziehe, . Gut, dass ich doch meinen  Mann dabei habe und nach ein paar Handgriffen stehen Paul und Paula sicher neben Herrn Freitag!

Ein Blick hinaus durch das offene Heck zeigt, dass der Wetterbericht Recht hatte, denn der schwarze Himmel öffnet sich für das angesagte Unwetter! Heftigster Regen peitscht hin und her, selbst die Hafenlaternen wackeln im Sturm und in ihrem Licht kann man Hin und Her, Kreuz und Quer der Tropfen sehen. Gar nicht auszumalen, wie es wäre, wenn wir noch an der Rampe stehen müssten! Wir haben - mal wieder - ganz großes Glück gehabt!

Nachdem wir unsere schweren Gepäcktaschen (so viel habe ich doch gar nicht eingepackt!) aufgeschultert haben, begeben wir uns auf die Suche nach unserer Kabine, Gang links, Treppe hoch, Gang wieder rechts. Aber schnell ist alles gefunden auch später, Bar, Restaurant, Ruhebereich und Sonnendeck, unsere Behausung auf See für die nächsten 24 Stunden! Spannend ist es alle Mal. Wir sind ja nicht gerade erprobte Schiffsreisende, so erklären wir die Überfahrt auf der Ostsee als unsere persönliche kleine Kreuzfahrt!

Das Unwetter hat sich mittlerweile verzogen und der Dampfer legt mit einiger Verspätung ab. An Deck haben sich die schweißtreibenden 30 Grad halbiert und es weht eine steife Brise. Wie in einem Miniaturwunderland ziehen die Häuser Travemündes langsam an uns vorbei, wir passieren den kleinen Leuchtturm bis uns die dunkle Ostsee verschluckt.

Nach einem kleinen Plausch mit Matthias an der Reling und einem frisch gezapften lettischen  Bier aus der Bar, das  wie eine Mischung aus mit Alkohol versetztem Zitronensaft und Essig schmeckt,  begeben wir uns beschwingt zur Nachtruhe.

Unseren Seetag verbringen wir abwechselnd mit im Aufenthaltsraumrumsitzen und an Deckrumstehen. Wir gehen an Deck, um frische Luft zu schnappen, um dann  wieder im Aufenthaltsraum rumzusitzen, weil es an Deck zu kalt ist, um dann wieder an Deckzugehen, weil es  im Aufenthaltsraum zu stickig ist. Zwischendurch palavern wir mit Matthias, der genüsslich an der frischen Luft seine Pfeife raucht. Irgendwie geht die Zeit rum und pünktlich um 19.00 Uhr Ortszeit (eine Stunde später als bei uns) legt unsere Fähre am Hafen von Liepaja in Lettland an. Unter den  Menschen, egal ob sie mit Camper, PKW, LKW oder wie wir mit Zweirädern unterwegs sind, bricht plötzlich eine gewisse Hektik aus und jeder möchte so schnell wie möglich an sein Gefährt, um dann  möglichst schnell einer der ersten zu sein, um von Bord zu fahren oder nicht der Letzte, auf den alle warten müssen.  Auch uns steckt diese Hektik an, wir suchen unsere Sachen schnell zusammen, ziehen unsere Kluft an, um dann aber doch noch eine ganze Weile im stickigen Aufenthaltsraum zu warten, um von Bord zu fahren. Wir verabschieden uns von Matthias und Herrn Freitag, der noch nach Litauen weiter will.

Gute Reise Matthias mit Herrn Freitag!

 Die Temperaturen sind angenehm, knapp über 20 Grad und es ist leicht bewölkt. Unser privates Apartment befindet sich nur noch einen Wimpernschlag von Hafen entfernt, gebucht vorab in Deutschland über das überall bekannte Buchungsportal. Ein paar Mal rechts und links und schon sind wir zielgenau da. Wir stehen vor einem langgezogenen, alten 5 stöckigen Sowjetbau. Von den ursprünglich weißen Steinen, die mittlerweile einen leicht grauen Überzug haben, bröselt langsam der Putz der Jahrzehnte. In Reih und Glied stehen hier eine ganze Menge solcher Bauten, wir befinden uns in einem Wohngebiet innerhalb der Stadt. Haus 50, Apartment 70, ein Zahlenschloss mit Code, den wir vorab erhalten haben, soll uns Eintritt verschaffen, so heißt es in der Buchungsbestätigung. Nirgends aber finden wir weder die Nummer 50 noch irgendeinen Hinweis auf eine Ferienwohnung.  "Sicher, dass wir hier richtig sind?" frage ich meinen Mann. "Ja, sicher!" Trotzdem stehen wir um uns blickend verdutzt  und achselzuckend da! Einen vorübergehenden jungen Mann halten wir an und fragen nach und zeigen ihm die Adresse. Er nickt und in einem einwandfreien Englisch sagt er, dass wir vor dem richtigen Eingang stehen, Apartment 70 befinde sich im 4. Stock. Also, nix wie hoch in den 4. Stock, wo wir auch gleich Apartment 70 ausmachen. Aber da steht nix! Wir klingeln einfach! Keine Antwort! Also wieder runter! Hmmm? Was nun? Panisch kommt mir der Ausdruck "Fake" in den Kopf! Nach mehreren Versuchen erreichen wir endlich jemanden unter der angegebenen Telefonnummer. Die Dame am anderen Ende lotst uns wieder in den 4. Stock. Dort sei eine braune Tür mit der Nummer 70 . Genau die, an der wir geklingelt haben. "Nicht klingeln, sondern öffnen!" "Man öffnet doch nicht einfach eine Tür, wenn man nicht weiß, ob es die Richtige ist!", denke ich. Aber natürlich, wir kommen ihrem Befehl nach. Dahinter  befindet sich noch eine Tür und zwar jene mit dem Code! Das soll nun einer wissen! Jetzt nun noch das Gepäck hoch schleppen! Also, noch einmal runter und wieder hoch! Geschafft!

So schnell überblicken wir die Lage gar nicht, wir sind zunächst einfach  nur froh, unsere Unterkunft beziehen zu können. Aber,

1 1/2 Stunden nach Verlassen der Fähre, so fertig wir auch sind, wirkt sie nicht nur schmuddelig, sondern sie ist es auch. Wohl haben wir uns mal wieder vom günstigen Preis leiten lassen! Einfache Unterkünfte sind wir ja gewohnt und oft ist es für uns unerheblich, ob sie gemütlich eingerichtet sind oder nicht, nur sauber und einigermaßen zweckmäßig sollten sie sein. Unsere Enttäuschung ist groß, in der Küche sind noch Spuren der letzten Mieter zu vernehmen, ihr Leergut steht noch im Spülunterschrank, im unsauberen Kühlschrank angebrochene Lebensmittel. In der Spüle befinden sich alte Kaffeeflecken, das blonde Haar, was an der Arbeitsplatte festgeklebt ist und herunterhängt, ist definitiv nicht meins und den Fußboden mag man ohne Schuhe nicht betreten. Anstatt  normaler Stühle mit normaler Sitzfläche gibt es 2 kleine, harte Holzhocker und den Balkon kann man gar nicht betreten, denn der ist mit gespannten Wäscheleinen versperrt! Am Schlimmsten aber ist die Dusche! Dort läuft die Heizung, die man nicht abstellen kann und es herrschen dort saunaähnliche Temperaturen. Im Abflusssieb befinden sich  die Haare der mindestens letzten 20 Bewohner, so dass das Wasser gar nicht richtig abfließen kann, die Toilette hat auch nur oberflächlich jemals eine Bürste gesehen! Ob die Bettwäsche wohl frisch ist? Das werden wir wohl nie erfahren! Glatt gezogen ist sie wenigstens! Haben wir eine Alternative? Nein! Wir sind viel zu kaputt, nehmen einfach alles so, wie es ist! Die schlechte Bewertung ist den Vermietern sicher!

Wir müssen noch im nahen Supermarkt fürs Frühstück einkaufen gehen. Hier gibt es zu später Stunde nur Selbstbedienungskassen. An einer davon scannen wir - etwas überfordert - unsere Sachen. Eine herbeigerufene Mitarbeiterin herrscht uns in gebrochenem Englisch an. Wir verstehen ja, dass sie bald Feierabend haben möchte, aber wir können doch gar nichts dafür! Sie schubst uns beiseite und erledigt das, was wir nicht checken. Danke für die Hilfe, danke, dass wir einkaufen durften. Hunger haben wir leider auch und erdreisten uns, in der nahe gelegenen Pizza- Kette, noch ein Essen einnehmen zu wollen. Man erbarmt sich unser und serviert uns nach ziemlich langer Wartezeit eine halb durch gebackene Pizza. Diese müssen wir dann in Windeseile runter würgen, weil gleich Feierabend ist. Wir haben noch nicht den letzten Bissen geschluckt, steht die Bedienung mit der Rechnung an unserem Tisch!

Also Lettland! Wir sind erst angekommen, mit der Freundlichkeit ist noch ganz viel Luft nach oben!

Wir schlafen auf der Klappcouch in Bettwäsche, die wir uns einfach frisch vorstellen! Wir schlafen trotzdem gut, denn es ist ruhig in unserem Plattenbauwohngebiet in Liepaja und wir sind... fix und fertig!

 

Mein lieber Mann bereitet uns ein Frühstück. Er brutzelt einfach die besten Spiegeleier, die es überhaupt gibt und so sind die harten, unbequemen Holzhocker die absolute Nebensächlichkeit des Tages!

Heute haben wir Zeit und wir kaufen ein Tagesticket für die Öffis, 3 Euro pro Fahrkarte.

Liepaja ( deutsch: Liebau) hat knapp 70.000 Einwohner und ist die drittgrößte Stadt des Landes. Wir wollen das im Stadtteil Karosta, ziemlich weit außerhalb des kleinen Zentrums (das noch eine kleine Fußgängerzone und eine sehenswerte Markthalle hat), befindliche einzige für Touristen zugängliche Militärgefängnis Europas besuchen. Sogar bis hierher können wir mit dem Tagesticket fahren. Das Gebäude wurde um 1900 erbaut. Seit der zaristischen Zeit hat es sich kaum verändert und bis 1997 gab es hier tatsächlich Inhaftierte. Wir nehmen an einer Führung teil. Absolut empfehlenswert! 

Hier befindet sich auch eines der ungewöhnlichsten Hotels der Welt, wo man tatsächlich in einer Gefängniszelle übernachten kann.

Außerdem hat Liepaja einen traumhaften Ostseestrand zu bieten. Da wir  schon  den ganzen Tag mit schönsten Wetter belohnt werden, schlagen wir uns in die Dünen, hören den Wellen zu und genießen leichte Bewölkung, die sich strahlend blauem Himmel abwechselt, es sind knapp über 20 Grad. Was wollen wir mehr? 

Eine kurze Etappe von nur 200 km steht uns am nächsten Tag bevor und wir sind wirklich froh, die schmierige Unterkunft zu verlassen. Wir haben eine kleine Pension in der Nähe des Kap Kolkas  gebucht und hoffen auf eine saubere Dusche und saubere Bettwäsche!

Wir verlassen Liepaja Richtung Norden. Die Straßen sind - bis auf eine schottrige Baustelle - gut ausgebaut, Paul und Paula surren vor sich hin. Ja, es könnten ein paar Kurven mehr sein, aber wir wollen ja nicht schon wieder meckern. Obwohl leichter Regen angesagt war, fahren wir bei 20 Grad und leichter Bewölkung und  freuen uns, dass die Wettervorhersage Unrecht hatte! Weder schwitzen wir noch frieren wir, fast perfekt, nur der starke Wind ist etwas lästig. 

Lettland ist etwas kleiner als Bayern. Das ganze Land hat aber nur in etwa ca. 300.000 Einwohner mehr als München. Wir passieren auf unseren 200 km wenige Orte, die Ostsee stets links von uns. Leider erheischen wir  nur wenige Male haben wir einen Blick darauf, zwischen Straße und See liegt Nadelwald.

Ohne größere Pause erreichen wir unsere Unterkunft im kleinen Örtchen Kolka, nur ein paar Kilometer vom gleichnamigen Kap entfernt. Wir sind sehr früh dran, eine halbe Stunde vor der üblichen Eincheckzeit.  Der Inhaber - wir vermuten, dass er das ist - ist nicht gerade begeistert. Ein Typ untersetzter Statue, glatzköpfig und Stiernacken, Alter undefinierbar, vermutlich irgendwas zwischen 50 und 60. Wir entschuldigen uns brav und lächeln. Aber das scheint er gar nicht zu mögen und schaut uns grimmig an.  Wahrscheinlich  hat er ein Strammstehen von uns erwartet, denn so wie er aussieht, ist er ehemaliges KGB-Mitglied oder Gefängniswärter in Karosta gewesen. Er gibt uns trotzdem ein Zimmer vor der üblichen Zeit und kassiert im Voraus, vermeidlichen Feinden oder Spionen traut man nicht über den Weg! Oje, meine Fantasie geht mal wieder mit mir durch! All das ist egal, denn wir erhalten ein sauberes Zimmer mit einem Bett, was wirklich frisch bezogen ist und einem sauberen Bad. Es gleicht zwar dem, einer in die Jahre gekommenen Pension - bei uns gibt es ja auch noch genügend solcher Pensionen - etwas rustikal und nüchtern eingerichtet, der übliche leicht muffige Geruch. Aber auch das ist egal!

Wir machen uns frisch und begeben uns auf eine kleine Wanderung entlang der See Richtung Kap Kolka, zunächst an alten verfallenen Fabrikgebäuden, die "lost places" sein könnten. Wir ziehen unsere Schuhe aus und genießen den feuchten Sand. Kap Kolka ist der Ort, wo sich zwei Meere treffen: die offene Ostsee und die Rigaer Bucht. Wo die Wellen gegeneinander platschen und weiße Gischt schon von weitem sichtbar ist, wo einem der heftige Wind die Haare zerzaust und man seinen Fotoapparat fest in der Hand halten muss. Hier kann man dieses einzigartige  Naturschauspiel, das natürlich eine touristische Attraktion ist, beobachten. Trotz der vielen Menschen finden wir genügend Raum, um diesem Naturschauspiel eine Weile beizuwohnen, inne halten und zu staunen! Bis hinter den Horizont scheinen die Wellen, mit voller Wucht gegeneinander zu hauen, als wenn sie einen Kampf ausfechten wollten.

Obwohl wir erst ein paar Tage unterwegs sind, erklären wir dieses Phänomen der Natur zu einem Highlight unserer diesjährigen Reise! 

Es hat die ganze Nacht gewittert, gestürmt und geregnet.  Auch am nächsten Morgen hängen dichte schwarzgraue Wolken über Kolka. So wechselhaft ist das Wetter hier im Norden! Wir gönnen uns erst einmal ein Frühstück in unserer kleinen Pension. Das ist wider Erwarten absolut köstlich: Omelett, Pancakes, überbackenes Tomatentoast, alles frisch zubereitet und Kaffee satt. Wir lassen uns doch vom Wetter nicht vorschreiben, wie unsere Laune zu sein hat! Auch der KGB Mensch lächelt uns an diesem trüben Morgen zu, bedient uns höchst persönlich und schüttelt uns zum Abschied freundlich die Hand! Naja, vielleicht war er doch nicht beim Geheimdienst und auch nicht Gefängniswärter, sondern hatte gestern einfach nur schlecht Laune!

Unser nächster Stopp ist die kleine 5000 Einwohner zählende Stadt Salacgrīva Nahe der estnischen Grenze. Schon kurz nach der Abfahrt halten die schwarzen Wolken, was sie versprechen und ergießen ihr Nass über uns. Es schüttet wie aus Kübeln, dicke, fette Tropfen, ein kräftiger Wind rüttelt an uns und die Temperatur sinkt auf 14 Grad, der Nadelwald rechts und links neben der Straße wirkt gespenstisch! Unsere neuen Kombis halten auch nicht das, was sie versprechen, denn nach relativ kurzer Zeit vermelden wir beide:  Wassereinbruch im Schritt! Könnt ihr euch vorstellen, wie sich das anfühlt?

Ich kann nicht gerade behaupten, dass das Spaß macht! Irgendwann ist aber auch so ein extremes Wetter vorbei. Die Durchfahrt durch die Hauptstadt Riga erleben wir trocken und umfahren den gesamten Rigaer Meerbusen.

Was den Autoverkehr angeht, fahren hier alle vollkommen entspannt und es wird extremst auf alle Geschwindigkeitsbegrenzungen geachtet, vor allem in den Ortschaften, von Ortseingang bis Ortsausgang wird nicht ein einziger  km/h zu schnell gefahren. Also, alles ganz gemach, keine Hektik, kein Stress!

Es hat sich genug ausgeregnet und Salacgrīva erreichen wir ebenfalls trocken. Sogar die Sonne schaut etwas hervor. Hier haben wir ein kleines 1 Zimmer Apartment gemietet, was wirklich liebevoll und geschmackvoll eingerichtet, aber wenig zweckmäßig ist. Das Bad ist so winzig, dass dort zwar Dusche und WC verbaut wurden, aber für ein Waschbecken hat der Platz anscheinend  nicht mehr gereicht.  Die kleine Küchenzeile besteht aus einer mobilen Kochplatte, einem winzigen Würfelkühlschrank und einem modernen Aufsatzwaschbecken, wo man gleichzeitig Geschirr spülen und sich die Zähne putzen kann.

Salacgrīva hat außer 2 Kirchen und einem kleinen Leuchtturm nicht wirklich viel zu bieten - bei 5000 Einwohnern haben wir das auch gar nicht erwartet und die Ruhe, die es ausstrahlt, kommt uns vollkommen entgegen. Am kleinen, fast menschenleeren Strand pustet auch hier ein kräftiger Wind  und ein waghalsiger Kitesurfer prescht über die Wellen!

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Kommentare: 9
  • #1

    Wolfgang (Montag, 12 August 2024 22:18)

    Liebe Sabine, lieber Bert,
    Danke für das mitnehmen auf die Reise. Wünsche euch eine tolle Zeit, wundervolle neue Eindrücke und freue mich schon auf weitere Blogeinträge hier, Fotos in Facebook und wenn ihr wieder gesund zu Hause seid, die spannenden YouTube Videos. Liebe Grüße Wolfgang

  • #2

    Chrissy (Montag, 12 August 2024 23:27)

    Liebe Sabine und lieber Bert,ich wünsche euch von Herzen eine wundervolle Reise ,viele bleibende Eindrücke und eine schöne,erlebnisreiche Zeit.
    Vielen Dank auch für die tollen Berichte über eure Reise!
    Freu mich jetzt schon auf mehr� Liebe Grüsse Chrissy �

  • #3

    Heidrun (Dienstag, 13 August 2024 05:51)

    Oh wie fein, Weltbeste Frühstückslektüre….danke dafür.
    Passt auf euch auf :-)

  • #4

    Kristof (Dienstag, 13 August 2024 10:55)

    Ich wünsche Euch eine spannende und sichere Reise... Und freue mich schon auf die Videos �

  • #5

    Sabine (Dienstag, 13 August 2024 12:36)

    Hallo Ihr Beiden! Wie immer ist Eure Urlaubsreise ein spannendes Abenteuer! Wir sind schon sehr gespannt, wie es weitergeht!!!!

  • #6

    Christian Hammann (Dienstag, 13 August 2024 17:05)

    Ich habe wieder das Gefühl, ich wäre dabei. Von der Vespa bis zur Vor-Tür; supi..
    Weiter gute Reise
    Liebe Grüße Chrischaaan

  • #7

    Bärbel und Torsten (Dienstag, 13 August 2024 21:34)

    Hallo ihr 2, wir wünschen euch eine tolle und erlebnisreiche Tour mit Paul und Paula und freuen uns wieder sehr auf spannende Reiseberichte. Passt auf euch auf und geniesst eure Reise....liebe Grüße Bärbel + Torsten

  • #8

    Maik und Elke (Mittwoch, 14 August 2024 17:07)

    Liebe Sabine und Bert, sehr schön wieder an eurer Reise teilnehmen zu dürfen. Das Glück mit den Quartieren habt ihr jedes Jahr. Sehr amüsant. Wir sind auch schon in der Vorbereitung auf unsere Tour. Liebe Grüße von Maik und Elke

  • #9

    Birgit (Samstag, 17 August 2024 12:47)

    Hallo ihr Lieben
    Wenn man einmal anfängt zu lesen , dann will man auch wissen wie es weitergeht. �
    Ich wünsche Euch weiterhin eine tolle erlebnisreiche Zeit und bin gespannt auf den nächsten Eintrag .���