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Sarajevo


Sarajevo, weltbekannt - zwischen hipp und angesagt und alt und verfallen -


Von Sarajevo hat bestimmt jeder schon einmal - spätestens im Geschichtsunterricht  - gehört.

Gleich drei entscheidende Ereignisse machten die Stadt weltberühmt:

- Am 28. Juni 2014 wurde der Thronfolger von Österreich-Ungarn Franz Ferdinand und seine schwangere Frau Sophie ermordet,      was eines der Hauptauslöser des ersten Weltkriegs war.

- 1984 fanden hier die Olympischen Winterspiele statt, an die wir uns heute noch recht gut erinnern können, Kathi Witt und Jens       Weißpflog holten Medaillen für das DDR-Team

- 1992 wurde die Stadt im Bosnien Krieg belagert, dauerte ganze 4 Jahre und wurde erst durch das Eingreifen westlicher Staaten       beendet. Nach Schätzungen wurden ca. 11.000 Menschen, darunter über 1600 Kinder, getötet.

Heute ist Sarajevo Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina, wo ca. 300.000 Menschen leben. Auch die Republik Srpska erhebt Anspruch als Hauptstadt, dessen Regierungssitz aber seit 1996  Banja Luca ist. Beim Nachlesen klingt alles sehr kompliziert, all die verworrenen Umstände sind für uns Westeuropäer schwer zu begreifen...

 

Bis zum Ort Mokra Gora unweit der Grenze zu Bosnien - Herzegowina, der auch für seine kleine Schmalspur - Museumseisenbahn bekannt ist, sind es noch gut 100 km. In Cacak zögern wir unsere Abfahrt in unserem Luxusapartment noch so lange hinaus, wie es geht. Nicht, weil es uns so gut dort gefällt, nein, wir warten ab bis der Starkregen, der die ganze Nacht an unsere Rollläden geklatscht hat, in Nieselregen übergeht. Es ist bereits nach 11.00, als wir endlich los kommen

Gleich kurz hinter Cacak führt uns unser Navi in die serbische Natur, die uns wirklich gut gefallen würde, würde doch nur die Sonne scheinen. Wir klettern sogar wieder rauf auf knapp 1000 m. Leider ist der Himmel wieder dunkel verhangen und Regentropfen fallen aus ihm raus. Meine Stiefel waren schon fast trocken, nun fühlt es sich dort nicht nur klamm sondern wieder klitschnass an. Die Socken sind auch schon wieder vollgesogen. Außerdem bläst hier oben ein unangenehmer Wind. Ich fange an zu frieren und eine unangenehme Gänsehaut überzieht meinen Körper. Mein lieber Mann fröstelt  auch ein wenig, dem doch sonst nichts so schnell zum Frieren bringt!  Das unangenehme Bibbern weicht schnell einem echten Frieren. Auch die Griffheizung, die auf volle Pulle läuft, hilft die nur sehr bedingt. Habt ihr schon einmal so gefroren, dass eure Zähne klappern? Ich kann wirklich nichts dagegen tun, Meine tun es und meine Füße schrumpeln eisekalt vor sich hin. Hoffentlich bekomme ich keine Frostbeulen!

Nach einer kleine  Ewigkeit hört es wenigstens auf zu regnen und endlich erreichen wir die Grenze. Wir müssen dort zum Glück nicht lange Warten, im Gegenteil, ein bis zwei PKWs sind vor uns, die genauso schnell wie wir abgefertigt werden. Raus aus Serbien, rein nach Bosnien-Herzegowina!

Auch hier schlängelt sich eine wunderschöne Landschaft entlang des Flusses Drina. Diese traumhafte Strecke entschädigt uns für die voran gegangenen Strapazen. Wir sind nicht mehr so hoch und die Temperaturen sind endlich erträglich. Wir können wieder genießen!

Im Wind trocknen langsam meine Füße und es kommt auch wieder Leben in sie rein. Meinen ehemals 5 gebrochenen Zehen geht es samt Fuß recht gut und ich erleide keine Schmerzen. Tape und Stützsocken, die ich nach wie vor brauche und ohne die ich nicht in die Schuhe komme, sitzen trotz Nässeeinbruch gut. Meine wasserfesten Stiefel musste ich ja Zuhause lassen, da es unmöglich war, nur annährend in sie hineinzuschlüpfen. Diese - die eben nicht wasserdichten - waren die Einzigen, in die mein lädierter Fuß hinpasste.

Manchmal blinzelt sogar die Sonne durch die Wolken und ich tanke ihre Wärme. Wir durchfahren unzählige Tunnel. Manche sind nur ganz kurz, Manche ein paar Hundert lang, Manche sind beleuchtet, deren Lampen aber nicht genug Saft haben, um uns genügend Licht zu spenden, andere wiederum sind gar nicht beleuchtet und führen uns durch ihr schwarzes Innenleben. Wir folgen immer dem Flusslauf, der an manchen Stellen richtig breit ist, bis wir ihn Richtung Sarajevo verlassen.

Sarajevo liegt auf einer Ebene, 511 m hoch, umgeben des dinarischen Gebirges, dessen Berge bis zu über 2000 m hoch sind.

Wir haben uns  wieder für eine private Unterkunft entschieden und gleich für 2 Nächte gebucht, um Zeit für diesen Städtetrip zu haben. Das Apartment liegt im Stadtteil Bistrik und das heißt es erstmal zu finden. Zielungenau wie so oft, schickt uns das Navi über eine enge und steile Seitengasse einfach falsch, diesmal an die Rückseite des Hauses. Die meisten privaten Unterkünfte sind oft nicht gekennzeichnet, Straßen- wie Hausnummern bei der Fahrt nicht zuerkennen oder sind erst gar nicht vorhanden. Dass wir uns auf der Rückseite befinden, können wir ja erst einmal  nicht wissen. Wir stellen Harry und Sally ab und schauen uns erst einmal um und können nichts anderes machen, als mit den Achseln zucken und unser Handy zücken, um den Vermieter zu kontaktieren. Wir sind fast eine Stunde später dran als angegeben. Bert wird von einem herbei eilenden Mann angesprochen! Super, das ist unser Vermieter, der schon sehnsüchtig auf uns gewartet hat. Er stellt sich als Amir vor, schüttelt uns die Hand, und erklärt uns, dass wir noch einmal um den Pudding und in die parallelverlaufende steile, rumpelige  Seitengasse einbiegen müssen, um an die Vorderfront des Hauses zu gelangen. Der Angstschweiß rinnt mir den Rücken runter und ihr könnt euch sicher meine Reaktion vorstellen! Ich streike mal wieder! Mir ist das im Moment sowas von egal und wenn ich die Sally eben dort lasse, wo sie gerade ist! Wir diskutieren noch hin und her, Amir,  der übrigens fein in einem Anzug und braunen, eleganten Lederschuhen steckt, gestikuliert wild und wir kommen zu dem Schluss, dass Bert zunächst mit Harry rum fährt und ich mit Amir eine Abkürzung zu Fuß nehme. Wir sind eher da als mein lieber Mann und ich frage mich, wo denn bitte schön ein, geschweige denn zwei Motorräder parken sollen? Die Zufahrt zu der Mehrfamilienmietskaserne ist steil und die Einfahrt, wo bereits auf engstem Raum ein PKW parkt ist mit Unkraut überwuchert. "Genügend Platz wäre am Rand, wenn etwas rangiert wird", überlege ich  gerade als Bert gerade um die Ecke kommt., stoppt und dann geht das Rangieren los! Mit vielen kleinen Schritten vor und zurück, schieb hin und schieb her, mein lieber Mann verfängt sich noch mit seinem Fuß in den Brennnesseln, aber dann - puh - steht die Maschine! Als wir abklatschen und endlich froh sind, dass Harry in einer Ecke endlich steht, da öffnet jemand ein Fenster und fängt mit Amir eine sehr laute, angeregte Diskussion an. Dieser nickt ehrfürchtig und versucht, uns umständlich zu erklären - es täte ihm sehr Leid - dass wir doch nicht hier parken können! Wegen der Nachbarn! Mein lieber Mann wirft vor lauter Frust seine Handschuhe in den Dreck! Ja, zu Recht! Und nun?  Wir diskutieren erneut mit Amir, keine Chance, wir müssen umparken! Aber wohin? Unterhalb der Gasse - ca. 200 m - gibt es einen bewachten Parkplatz. Mittlerweile ist nicht nur mir sondern auch meinem lieben Mann alles egal, die Hauptsache, wir können endlich unsere Unterkunft beziehen. Also hieven wir Harry mit vereinter Kraft wieder raus aus seiner engen Parklücke, selbst Amir in seinem feinen, grauen Anzug und den guten Lederschuhen zieht und schiebt mit. Irgendwann dann stehen Harry und Sally bestens geparkt auf dem bewachten Bezahlparkplatz unterhalb unseres Apartments, wieviel auch immer dieser Parkplatz kosten mag! Wir werden noch vor Wut schäumen, denn der Parkplatz wird uns mehr als das gemietete Apartment kosten! Mit letzter Kraft schleppen wir unser Gepäck die steile Gasse hoch und dann noch in den 3.Stock des Mehrfamilienhauses in der Hauptstadt  von Bosnien-Herzegowina, im  Stadtteil Bistrik! Amir hatte uns noch erklärt, dass wir immer schön die Haustür abschließen sollen. Diese ist gleich mit diversen Schlössern ausgestattet, ein Oberes und ein Unteres jeweils mit verschiedenen Schlüsseln und von innen hat es noch Eines mit Vorhängekette! Hm! Sollte es hier etwa berechtigte Sorge um Langfinger geben?

"Ach, alles nur Vorsorge!", beruhigen wir uns und verschwenden keine weiteren Gedanken daran. Puh, wir sind angekommen! Endlich! Klamotten aus und tief durchatmen! Zum Glück haben wir Zeit, es ist später Nachmittag. Unsere Wohnung ist zwar einfach eingerichtet, aber sauber und geräumig mit einem Schlaf- und einem Wohnraum. Eine Küche, die gut ausgestattet ist einem kleinen Balkon mit Sitzgelegenheit, wo wir uns gleich niederlassen und einen Kaffee schlürfen. Unsere Anspannung weicht nach und nach. Unser Blick schweift über die Brüstung! Häuser, deren Fassaden total verfallen, verrottet und vergammelt sind, hinter denen aber Menschen zu wohnen scheinen. Die Gärten sind wenig gepflegt, das Unkraut und die Brennnesseln wuchern Meterhoch. Direkt unter uns nehmen wir eine Baustelle wahr. Hier hat man, wahrscheinlich vor Jahren, begonnen, ein Haus zu bauen. Jetzt tut sich nichts mehr. Verrostete Eisenträger und alte Baumaterialien deuten darauf hin, dass man das Bauvorhaben schon seit langem aufgegeben hat! Wir beobachten einige Streunerkatzen, die akrobatisch über die Balken der Baustelle balancieren. In der Ferne nehmen wir eine schönere Kulisse wahr und können auf den Sarajevoer Hausberg Trebević, dessen Gondeln Besucher auf und ab bringen, schauen.

 


Jetzt ist es aber Zeit für einen gemütlichen Gang durch die nahe Altstadt. Hier tummeln sich Touristen aus aller Herren Länder, die sich dicht an dicht durch die engen Gassen drängen. Hier gibt zahllose kleine Cafes, Restaurants und Souveniershops zu üblichen Touristenpreisen. In einem der vielen Lokale lassen wir uns nieder, das bosnische Gulasch ist scharf und lecker, wir bleiben eine Weile dort gemütlich sitzen und beobachten das Treiben vor unserem Tisch. Familien mit plärrenden Kinder, Jugendliche ganz cool gestylt und Paare Hand in Hand ziehen vorbei und der Muezzin von der nahe gelegenen Moschee ruft zum Gebet. Die Temperaturen zum Abend sind frisch, tun aber gut. Noch ein kleiner Spaziergang hinauf zu unserer Unterkunft und wir können zwar mal wieder den Tag als sehr abenteuerlich verbuchen, fühlen uns aber in unserer kleinen Hinterhauswohnung wohl - natürlich haben wir die Tür mit all ihren Schlössern verrammelt - und schlummern wohlig bis zum nächsten Morgen.

Den nächsten Tag beginnen wir unsere kleine persönliche Touristentour an der Lateinerbrücke, an dessen Ecke sich heute ein Museum befindet. Genau hier wurde der Kronprinz Franz Ferdinand und seine Gemahlin von dem Mitglied der serbisch-bosnischen Bewegung "Junges Bosnien (Mlada Bosnia)" Gavrilo Prinicp, erschossen. Dieses Attentat war bekanntlich der Hauptauslöser für den ersten Weltkrieg. Gedenktafeln erinnern an die Ereignisse, das Museum besuchen wir nicht, sondern schlendern noch einmal durch die bereits gut gefüllte Altstadt, vorbei am historischen Rathaus bis zur Talstation der bekannten Bergbahn, wo wir hinauf auf die Basisstation auf den Gipfel Vidikovac (1160 m) am Hang des Trebević fahren. Die berühmte Seilbahn wurde 1959 eröffnet und während des Balkankrieges Anfang der Neunziger Jahre des vorherigen Jahrhunderts zerstört und erst im Jahr 2018 wieder eröffnet. Bei der Olympiade von 1984 war sie Zugang zu vielen Wettkampfstätten. Wir laufen zur ehemaligen Bobbahn. Traurig liegt sie als Lost Place da. Zugewuchert und mit Graffiti besprüht zieht sie uns aber in ihren Bann. Einige Hundert Meter laufen wir sie fasziniert ab. Bis zur Belagerung Sarajevos im Bosnienkrieg war sie  Austragungsort vieler Wettkämpfe, Olympia und Europameistersieger sausten hier die 1,3 km lange Strecke mit 13 Kurven und 192 m Höhenunterschied hinunter. Während der Belagerung hielten serbisch-bosnische Truppen den Gipfel mit ihren Artillerietruppen besetzt und noch bis in die 2000er Jahre war das Gebiet vermint. Einschusslöcher auf der Bobbahn sind noch stumme Zeugen dieses schrecklichen Krieges. Man vermutet sogar noch Einige außerhalb der frei gegebenen Bobbahn und anderen Wanderwegen.

Sanierungsmaßnahmen für eine Sommerrodelbahn und andere Freizeitaktivitäten hat man schnell aus Kostengründen verworfen. So schlummert die Bahn bis heute in einem Dornröschenschlaf!

Der Tag ist ausgefüllt und auf das rege Treiben in der Stadt haben wir keine Lust mehr. So  nehmen wir unser Abendessen in der Brauereigaststätte,  Sarajevska Pivara ein. Sie befindet sich unweit unserer Wohnung. Obwohl sie ein weiterer Touristenmagnet der Stadt ist, ist sie nicht sehr voll und wir haben etwas Ruhe, um den Tag hier und jetzt Revue passieren lassen können.

 

„Živeli!“ Prost!


Nun steuern wir auch schon Kroatien an! Bevor wir aber die Grenze erreichen, haben wir noch einige Kilometer in Bosnien-Herzegowina vor uns. Das ist wirklich eine der schönsten Strecken, die wir bisher gefahren sind. Ein Traum! Sie führt uns am Jablaničko jezero, einem großen Stausee der Neretva und an der Neretva selbst entlang. Die Straße schlängelt sich schluchtartig mit sanften Steigungen und sanften Kurven durch die uns unbekannte Gegend. Das Wasser ist teils türkisfarben und hinter jeder Kurve wird es schöner! Der Verkehr ist erträglich und es ist wenig los. Wir fahren oft so langsam, natürlich nur, wenn niemand hinter uns ist,  dass wir nur im Schleichtempo voran kommen, wir wollen möglichst viel von dieser einzigartigen Landschaft mitnehmen! Irgendwie haben wir es uns doch verdient, mal wieder richtig Spaß am Fahren zu haben!

Weiter der Neretva folgend streifen wir Mostar auf der Hauptstraße, wo die Erinnerungen vom letzten Jahr, als die wir die Stadt nach unserer großen Türkeireise besuchten, wieder präsent sind.

Noch 50 Km bis Kroatien!

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Kommentare: 3
  • #1

    Saša Popržen (Samstag, 10 September 2022 00:38)

    Schön.
    Meine alte Heimat Bosnien gefüllt mit extremen (eigentlich wie alles auf dem Balkan) - von superhässlich bis superschön.. von supertraurig bis superglücklich
    usw. usw...

  • #2

    Bernd Rose (Samstag, 10 September 2022 10:42)

    Immer wieder ein toller Reisebericht, vielleicht macht ihr mal ein Reiseführer-Handbuch daraus.

    LG Bernd

  • #3

    Sabine und Rüdiger (Samstag, 10 September 2022 16:29)

    Es ist immer wieder aufregend, euren Berichten zu folgen, was war denn nun mit dem Parkplatz? Standen die Motorräder sicher?