Serbien - die Städte Nis und Cacak - Unwetter und eine luxuriöse Überraschung
Man kann sich nun mal sein Abenteuer nicht aussuchen! Hätte ich gewusst, in welches 4-Sterne Abenteuer ich mich begebe, wäre ich erst gar nicht los gefahren!... Oder Vielleicht doch?...
Habt ihr schon einmal Urlaub in Serbien gemacht? Mit dem Land Serbien verbindet man nicht unbedingt Urlaub! Oder?
Serbien? Was wissen wir schon darüber?... Serbien ist seit 2012 offizieller EU-Beitrittskandidat, Voraussetzungen sind u. a. den Grenzkonflikt mit dem Kosovo beizulegen, der weiterhin als fragil gilt. Als kleiner Fortschritt gilt wenigstens, dass man sich gegenseitig Pässe akzeptiert. Aber auch Pressefreiheit und Finanzen sind ein Thema. Mit seiner Hauptstadt Belgrad liegt Serbien inmitten der Balkanhalbinsel und ist das Größte Land der ehemaligen Jugoslawienstaaten.
Serbien wartet gleich, obwohl es keinen Zugang zu Meer hat, mit mehreren Nationalparks auf. Nur um einen zu nennen, ist die Derdap Schlucht mit dem Eisernen Tor, dem Donaudurchbruch an der Grenze zu Rumänien, sehr bekannt. Aber nicht nur Nationalparks für Naturliebhaber sondern auch schöne Städte und nette Menschen hat Serbien zu bieten. Wir haben uns eine Wohnung in der Drittgrößten Stadt des Landers, der Stadt Nis gebucht. Nis haben wir im Jahr 2018 schon einmal besucht. Sie ist uns in so guter Erinnerung, dass wir denken, wir könnten ihr noch einmal einen Besuch abstatten.
Und da wir die letzten Tage ganz schön rum getrödelt haben, wollen wir mal wieder eine längere Strecke zurück legen. Bis Nis sind es knapp 400 km. Das dürfte bei guten Straßenverhältnissen ja wohl kein Problem sein, so denken wir!
Vom bulgarischen Städtchen Peruschtiza fahren wir Richtung Grenze. Und wie erwartet ist die Straße in gutem Zustand, es herrscht wenig Verkehr, die Temperatur ist angenehm und wir sind gut gelaunt. Wir fahren entlang riesiger Sonnenblumenfelder. Im Frühsommer sahen sie sicher wundervoll aus. Nun lassen die großen sonst so strahlend gelben Blüten vertrocknet und traurig ihre Köpfe hängen.
Kurz vor der Grenze packen wir endlich mal wieder unsere Campingstühle aus, um eine Pause zu genießen. Wir knabbern unsere belegten Stullen, die wir uns am Morgen in Peruschitza geschmiert haben, genießen die leckeren großen Balkantomaten und die obligatorischen hart gekochten Eier dürfen bei so einem Picknick auch nicht fehlen. Komisch, Zuhause würde mir so eine Mahlzeit gar nicht schmecken, hier ist sie köstlich!
Ganz plötzlich von einer Sekunde zur anderen frischt der Wind auf. Die trockenen Sonnenblumen schütteln sich ärgerlich, wir packen hastig zusammen und in die Richtung, in die wir fahren müssen, sieht es gefährlich dunkel aus.
Leicht durchgewindet, aber trocken erreichen wir die Bulgarisch-Serbische Grenze hinter der Stadt Tran. Hier dauert es aufgrund der Eu-Außengrenze doch ein wenig länger, aber alle sind freundlich und entspannt, niemand schikaniert uns. Einen Großteil der Strecke haben wir hinter uns und bis Nis sind es noch gut 100 km. Obwohl immer mehr schwarze Wolken aufziehen und der Himmel sich verdächtig verdunkelt, hoffen wir trotzdem gut und zügig durchzukommen. Vorsichtshalber schließen wir alle Reißverschlüsse unserer Kombi und verpacken uns regenfest! Regen? Das haben wir schon seit Ungarn nicht mehr erlebt! Kaum haben wir aber nur einen Gedanken an Regen verschwendet, geht es auch schon los! Der Himmel öffnet nicht nur eine seiner vielen Schleusen, sondern gleich alle, dazu donnert und blitzt es. Ein Unwetter ohnegleichen geht direkt über unseren Köpfen nieder und dicke, fette Tropfen prasseln auf unsere Helme, dass man sie sogar akustisch wahr nehmen kann. Diesmal haben wir keine Chance, uns irgendwo, irgendwie unter zu stellen. In Null Komma Nichts laufen meine Stiefel voll und meine Füße melden: "Land unter"! Meine Finger in den nassen Handschuhen können gerade noch Gas und Kupplung betätigen, ein weiteres Rinnsal, nein ein kompletter Bach sucht sich einen Weg durch meinen Kragen, um an einem Rücken als Wasserfall runter zu laufen! Aber auf all das kann ich gerade keine Rücksicht nehmen, ich muss mich auf Straße konzentrieren. Es ist so dunkel, das ich mich wie in einem verwunschenen Märchenwald fühle. Kein anderes Fahrzeug außer uns, scheint unterwegs zu sein. Die wenigen Orte, durch die wir fahren sind verfallen und scheinen verlassen zu sein, sofern man das bei beschlagenem Visier und aus den Augenwinkeln heraus wahr nehmen kann. Die Straße wird immer schmaler und ist kaum noch zu erkennen, die Rücklichter von Harry kann ich gerade noch ausmachen. Und als ich mich schon im absoluten Tief meiner Emotionen befinde, kommt es noch heftiger. Mein lieber Mann schreit mich an: "Da musst du jetzt durch!" Das Baustellenschild habe ich gar nicht bemerkt und die gepflasterte Straße weicht einer matschigen Off-Road-Piste, keine Chance, umzudrehen und auf eine Alternativstrecke, die es ohnehin nicht gibt, auszuweichen Off-Road-Fans würden sicher jetzt jubilieren, ich hingegen schreie meinen Mann und meine Sally an. Das hilft mir, ein wenig die Angst zu kompensieren! Mein Bert ist ganz still, ich höre ihn schwer atmen und ab und zu das Sch.... Wort von sich zu geben. Das zeigt mir, dass ich gar nicht übertreibe und auch er so seine Mühe hat, Harry sicher über den nassen und den teils tiefen Kies zu manövrieren. An manchen Stellen spüren wir festen Untergrund, der uns kurz durchatmen lässt. Keine Ahnung wie viele Kilometer wir so fahren, aber irgendwann und zum Glück ist diese schreckliche Baustelle vorbei und wir haben wieder normalen Teer unter uns. Die dunkle Märchenwaldatmosphäre allerdings bleibt und es schüttet weiterhin. Tannen lassen schwer bis fast auf die Straße ihre Äste hängen, die Straße ist schmal und niemand außer uns scheint nach wie vor unterwegs zu sein und die wenigen Orte liegen regungslos und traurig am Wegesrand.
Erst kurz vor Nis bricht der Himmel auf und mit großer Verspätung, bematscht und schwarz wie die Raben, erreichen wir unser Ziel. Unsere Wohnung in der drittgrößten Stadt Serbiens erwartet uns in einem Zweifamilienhaus, was sich noch im Umbau befindet. Andrea, unsere Vermieterin, erwartet uns schon seit Längerem, entschuldigt sich gleich für die Baustelle vorm und am Haus und wir entschuldigen uns für unsere Aufmachung. Wir ziehen gleich vorm Eingang unsere Schuhe aus, meine Füße in den Socken allerdings hinterlassen auf Fliesen Parkett nasse Abdrücke. Ich bin froh, mich endlich all meiner nassen Klamotten samt Socken entledigen zu können. Unsere Wohnung ist groß, sauber und im Altbaustil bestens und geschmackvoll eingerichtet, wir fühlen uns gleich wohl und in Nis herrschen noch am Abend sommerliche Temperaturen. Die Strapazen der letzten Stunden sind nach einer angenehmen Dusche zum Glück so schnell vergessen wie sie gekommen sind!
Was für ein Kontrast zu dem eben erlebten! Nis ist eine lebendige Stadt, noch abends um 20.00 Uhr sind die Straßen voll, die Geschäfte auf und die Menschen gehen shoppen oder sitzen in den zahlreichen Cafes. Auch die Lokale am Flüsschen Nisava sind gut gefüllt mit Menschen, die den Spätsommerabend genießen, sie unterhalten sich lautstark, rauchen Schischa und auf großen Leinwänden flimmert Fußball und/oder aus großen Lautsprecherboxen ist laute Balkanpoppmusik zu hören. Wir sind viel zu k.o., um uns auf ein quirliges Stadtleben einzulassen und gehen in einem ruhigen Hinterhoflokal essen und fallen früh in unser komfortables Bett.
Gerne hätten wir uns Nis noch bei Tag, frisch und ausgeruht, angeschaut, aber unser schönes Altbauapartment ist leider für die kommende Nacht ausgebucht. So setzen wir unsere Reise Richtung Nordwesten fort. Nis, wir kommen bestimmt einmal wieder.
Diesmal soll unsere Strecke wieder kürzer sein. Wir überlegen, ob das Zlatibor-Gebirge oder der Tara Nationalpark im Westen des Landes als geeignete Ziele für uns in Frage kämen. Dort gibt es noch einige günstige Unterkünfte, die wir buchen könnten. Der Wetterbericht hält allerdings keine so guten Prognosen für uns parat, erneut Regenfälle und Unwetter. Also entscheiden wir uns wieder für eine Stadt. Cacak hat gut 70.000 Einwohner. Wir buchen erneut ein Apartment, was uns von den Bildern auf dem Buchungsportal auf Anhieb gefällt. Es trägt den klangvollen Namen "Gran Lux Apartment" und wartet mit allerhand Annehmlichkeiten wie Balkon und Tiefgaragenplatz etc. auf.
Wir werden sehen, oft genug haben uns Fotos und Beschreibungen getäuscht!
Von Nis aus führt uns unser Navi wieder kreuz und quer, bergauf, bergab durch schmale und langgezogene Kurven durch das serbische Hinterland. Es ist zwar stark bewölkt aber Cacak erreichen wir trocken und schnell ist unser Gran Lux in einem chicem Neubaukomplex gefunden. Unten befinden sich Imbiss-Lädchen und kleine Geschäfte, oben Wohnungen. Unsere Vermieterin müssen wir telefonisch, sie verspricht uns, in 5 Minuten da zu sein. Während wir so warten, rätseln wir, welches der vielen Balkone, wohl unserer sein wird. Mir nichts dir nichts fährt in einem großen SUV eine Frau mittleren Alters vor, reicht uns ihre Hand und stellt sich mit Namen, den ich sofort wieder vergesse vor. Sie zeigt uns den im Portal angegebenen Tiefgaragenplatz und fährt mit uns in einem Fahrstuhl - wow, den hat es auch - in den zweiten Stock. Sie mustert uns und wir kommen uns ein wenig schäbig mit unseren schmuddeligen Kombis vor. Sie aber lächelt uns aber trotzdem freundlich an. Ihr hell blondiertes Haar ist zu einem Dutt direkt auf dem Schädel zusammen gesteckt, ihre sauber manikürten und designten Fingernägel zeigen uns den Weg über einem frisch gesäuberten Flur den Eingang zur Wohnung. Ihr schrill buntes Kostüm passt perfekt nicht nur auf den ersten sondern auch auf den zweiten Blick zum Interieur des Apartments. Sie erklärt uns noch kurz einige Dinge äußerst freundlich, kassiert und rauscht wieder ab. Alles ist stylish in afrikanischem Design eingerichtet und farblich aufeinander abgestimmt. Die Farben gelb und blau dominieren. Es gibt zwei Schlafzimmer, eines in Gelb, das andere in Blau, das Studio mit Sofa und Chaiselongue und luxuriöser Küchenzeile samt Spülmaschine. Geschirr? Passend in Gelb und Blau! Im neuen, mit begehbarer ebener Dusche gibt es gelbe und blaue Handtücher und auch eine Waschmaschine samt Waschpulver. (Apropo, eine gute Gelegenheit, mal wieder eine kleine Wäsche zu machen). In jedem der 3 Zimmer hängt an der Wand ein überdimensionierter Flachbildfernseher. Die neuen Außenrollos bedienbar per Knopfdruck neben jeden Lichtschalter. Die selbstverständliche Klimaanlage brauchen wir heute nicht, denn es ist doch recht frisch drinnen wie draußen. Auch den schönen Balkon mit Hängestuhl können wir leider nicht nutzen, denn kaum sind wir angekommen, fängt es auch schon an zu regnen. Die indirekte Beleuchtung taucht jedes Zimmer in warmes, angenehmes Licht.
Wir können es kaum fassen, denn hier erhalten wir viel mehr als im Portal versprochen. Das ist bisher die beste und luxuriöseste Unterkunft, die wir jemals hatten. Alles für einen Preis, bei dem wir Zuhause mal locker nicht nur das Doppelte sondern das 4 fache zahlen würden. Krass können die Gegensätze wie zu dem in Tjarwna gar nicht sein!
Auch hier würden wir gerne noch eine Nacht dran hängen, aber nein, es soll nicht sein, auch hier das Apartment für die kommende Nacht belegt.
Trotz der gut ausgerüsteten Küche, steht uns nicht der Sinn nach selber kochen, und der Hunger treibt uns doch noch, obwohl es wie aus Eimern gießt, aus dem Haus. Mit Regenschirm und Regenjacke laufen wir durch die Stadt und kehren in eines der wenigen Restaurants der Stadt ein. Ein Kellner, der begeistert von Deutschland schwärmt und in den kommenden Tagen Urlaub in "Heidelbörg" machen wird, serviert uns eine echte serbische Wurst mit Pommes. Englisch spricht hier wirklich fast jeder!
Noch am Abend müssen wir eine neue Unterkunft für den nächsten Tag finden. Der Weg bis zur kroatischen Küste ist zu weit. Und da wir Bosnien-Herzegowina durchqueren müssen, können wir dort auch gleich einmal übernachten! Sarajewo läge genau auf der Strecke... Sarajewo? Klar, warum nicht einmal ein Besuch in einer Weltstadt!
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Heidrun (Mittwoch, 07 September 2022 08:29)
Lieblingsfrühstückslektüre, danke Bella und Stronzies :-)
Hammann (Mittwoch, 07 September 2022 20:06)
Grosse Klasse und die Baustelle erlebe ich fast mit...Umarmung euer chrischaaan
Maik und Elke (Mittwoch, 07 September 2022 21:32)
Hallo ihr Zwei, wieder super beschrieben diese Etappe. Wir freuen uns schon auf den nächsten Teil. �� liebe Grüße von Maik und Elke
Sabine (Donnerstag, 08 September 2022 07:37)
Immer wieder Höhen und Tiefen. Gute Weiterfahrt! Freue mich schon auf den nächsten Bericht!Sabine
Diana (Donnerstag, 08 September 2022 22:45)
Genieße deine Reportage immer noch und bekomme bei den Essensbeiträgen und -fotos ständig Hunger�…