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Türkei Teil 2 von Amasya bis Dogubeyazit


Die Städte Sivas, Erzincan, Erzurum, ein biblischer Berg und jede Menge Müll


Drei relativ kurze Etappen stehen uns bis Dogubeyazit, die einzige Stadt am Fuße des Ararat, die man besuchen kann, bevor.

Von Amasya führt uns die D180  Richtung Südosten - 4 spurig auch hier die Nebenstrecken - in das 200 km entfernte Sivas, mit etwas über 200000 Einwohnern ist sie Hauptstadt Zentralanatoliens. Bisher haben wir in der Türkei keine privaten Unterkünfte wie in anderen Ländern gefunden, so dass wir auch hier ein Hotel am Rande der Stadt buchen. Hier gibt es absolut nichts auszusetzen, ein Standartzimmer empfängt uns mit sauberen Betten und sauberem Bad. Ein langer Fußmarsch ins Zentrum tut richtig gut nach der langen Sitzerei auf den Motorrädern. Wir schlendern vorbei an einem seltsamen  verwilderten Friedhof und werden sogar fündig in einem der zahlreichen, die breite Hauptstraße säumenden, kleinem Lädchen und erstehen 4 Schrauben für ein paar Cent. Die hat "Harry" nach all dem Gehoppele auf einer der schlechten Straße an seiner Verkleidung verloren. Die Stadt empfängt uns mit dem üblichen türkischen Gewusel von Menschen und hupenden Autos. Eine Mischung aus Diesel und Döner breitet sich aus. Wir setzen uns auf die Stufen des Platzes vor der Medrese (Def. Laut Wikipedia: im Deutschen auch Medresse, ist seit dem 10. Jahrhundert die Bezeichnung für eine religiöse Schule bzw. eine Schule, in der Islamwissenschaften unterrichtet werden.) und schauen dem ganzen Treiben eine Weile zu bis wir uns wieder auf dem Weg ins Hotel machen und in einem kleinen  Restaurant mit kühler Neonlichtatmosphäre  und roten Plastikstühlchen einkehren. Nicht dass wir solches Ambiente lieben, aber wirklich nett eingerichtete Restaurants haben wir bisher noch nicht entdeckt. Aber dafür bekommt man nach jedem Essen Cay umsonst serviert und in die Hände Eau de Cologne gekippt und zwar reichlich davon! Ihr wisst ja auch, dass wir gerne mal zum Essen ein Bier oder einen Wein trinken. Aber wirklich in keinem absolut in keinem Lokal ist auch nur ein einziges Tröpfchen Alkohol zu bekommen, obwohl der bekannte Raki, ein Anisschnaps mit über 500 jähriger Tradition aus der Türkei stammt und auch das bekannte Effes-Bier wird in diesem Land gebraut.

Also sitzen wir immer brav bei Wasser und gönnen uns ab und an mal eine Dose Effes, die wir dann heimlich auf unserem Zimmer trinken müssen. Diese zu erstehen ist nicht so einfach denn Alkohol gibt es nur in speziallizensierten, meist in einer Seitengasse gelegenen, kleinen Lädchen zu kaufen. Erkennbar sind diese auch durch draußen aufgestapelte leere Bierkästen!

Eine weitere kurze Etappe führt uns nach Erzincan mit weniger als 100000 Einwohner eher eine etwas kleinere Stadt. Eigentlich würden wir gerne einmal auf dem Land übernachten, aber einerseits ist Anatolien - auch Kleinasien - sehr dünn besiedelt und anderseits gibt es außerhalb der Städte keine für uns buchbaren Übernachtungsmöglichkeiten.  Erzincan empfängt uns sehr heiß und staubig. Hier haben wir sogar ein Apartmenthotel gefunden. Es sind fast 40 Grad als wir unser Gepäck in der Mittagssonne abschnallen. Der Schweiß steht uns in Form von dicken Perlen auf der Stirn und rinnt uns den Rücken runter, unsere Motorradunterwäsche klebt auf der Haut. Vom Laden gegenüber kommt gleich ein Mann angelaufen, mit der Hand auf`s Herz und einem kleinen Diener heißt er uns willkommen???!!! Er hat Sticker mit der türkischen Fahne in der Hand und beginnt sogleich diese zielgenau an meine Koffer zu kleben. Mein Widerspruch und das Zeichen, dass ich dort bereits einen Türkeiaufkleber habe, hilft nichts. Er klebt einen rechts, einen links und Bert bekommt auch einen auf sein Topcase! Wir schwitzen noch mehr und machen ein Selfie mit Murat, so heißt der Aufklebermann, bevor wir im "Hayat Palas" einchecken. Unser Apartment ist nicht besonders geschmackvoll eingerichtet, aber dennoch sauber und funktional mit Küchenzeile und...sogar... einer Waschmaschine samt Wäscheständer!!! Eine gute Gelegenheit, einmal eine große Wäsche zu machen. Ich mache mich gleich an die Arbeit! Es ist ein herrliches Gefühl, der Maschine beim Drehen zuzuschauen und später saubere Socken, Unterwäsche und T-Shirts aufhängen zu können, die wir sonst nur durch Hotelwaschbecken ziehen können. Nach der Waschaktion ist es trotzdem noch herrlich früh und wir laufen ein wenig in der Stadt herum, die einen Hauch von Orient versprüht. Von den zahlreichen Moscheen rufen Muezzins fast gleichzeitig, ganze Hammel und Rinderhälften hängen in der Auslage der Metzgereien, Bäckereien verkaufen diese süßen, klebrigen Honigteilchen und frisches Brot, Gewürzsäcke stehen vor den Geschäften. Müll liegt in den Gassen.

Wir laufen an einem Hotel vorbei, das "Hotel Berlin" heißt und kehren bei einem Dönerimbiss ein, dessen Kellner uns auf Deutsch begrüßt und aus Hohenschönhausen/Berlin kommt. Irgendwie kommt immer mal jemand aus Deutschland oder hat Wurzeln bei "uns".

Als wir uns am nächsten Morgen auf machen, ist es schon mächtig heiß. Knapp 200 km sind es nur noch bis zum nächsten Ziel, der Großstadt Erzurum mit über 350000 Einwohnern deutlich größer als Erzincan und mit über 2000 m Höhe auch doppelt so hoch gelegen. Bis dahin schlängeln wir uns sogar am Euphrat entlang, dem längsten Strom Vorderasiens. Da fällt mir gleich das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris ein, dem Land, wo sich viele Jahrtausende vor Christus Menschen ansiedelten und erste Städte bildeten. Immer wieder ist er mal rechts, mal links von uns und wir kreuzen ihn mehrere Male. Die Straße ist gewohnt gut, wir kommen zügig voran und erreichen Erzurum wieder sehr früh. Unser Hotel liegt fußläufig zur Stadt und ist etwas auf Luxus getrimmt. Das Zimmer ist zwar etwas eng, aber dafür im orientalischen Stil eingerichtet und pikobello sauber. Für das Geld, was wir hier bezahlen, wie auch für die meisten anderen Unterkünfte, bekommt man bei uns nicht einmal ein Zimmer mit Gangtoilette in einer einfachen Pension!

Jedes Mal ist das Stadtbild natürlich anders aber es ähnelt doch oft. Hier gibt es wieder viele Moscheen mit den leuchtenden Kuppeln und ihren spitzen Minaretten, eine große Hauptstraße mitten durch das Zentrum und kleine, verwinkelten Gassen abseits dieser Straße und sogar einer Festung aus dem 5. Jahrhundert.

Da Erzurum ziemlich hoch liegt, ist es abends angenehm kühl. Im Winter gibt es hier in der Nähe sogar ein großes Skizentrum. 

Am nächsten Morgen fahren wir auf der E 80 unserem Ziel entgegen. Fast 300 km sind es bis zur Stadt Dogubeyazit am Fuße des Berges Ararat. Es geht durch kleine Schluchten, über hohe Berge, durch lang gezogene Kurven, auf und ab.  Die Farben der Felsen wechseln von gelblich - braun bis rötlich - braun. Von der Sonne angestrahlt, ist der Anblick einfach ein Augenschmaus. All das schwebt an uns vorbei oder wir schweben an all dem vorbei. Manchmal sind auch rechts und links der Straße grüne Felder zu sehen, Pferdekarren und unzählige Trecker sind ebenfalls unterwegs. Das Land ist dünn besiedelt, so dass wir nur wenige Ortschaften passieren.

Wir überholen viele LKWs aus dem Iran, keine 40 km sind es von Dogubeyazit bis zur iranischen Grenze. Wir schauen auf unsere Tachos. Hui, die sind aber sportlich unterwegs und wir müssen bei unseren Überholmanövern kräftig Gas geben. Auch mächtig überbeladene Laster transportieren haufenweise weiße Säcke. Die vielen Kurven müssen sie schneiden, denn wenn sie diese normal durchfahren würden, würden sie sicher umkippen. Ihr Anblick schon allein lässt mich den Atem anhalten. Die Fahrer müssen echt wagemutig sein! 

 

Die wenigen PKWs, die unterwegs sind, überholen uns in einem Affenzahn. Überhaupt hält man sich, nicht nur auf dieser Straße, wenig an überflüssige Verkehrsregeln. Schilder mit Geschwindigkeitsbegrenzungen stehen eigentlich umsonst rum. Diese werden schlicht weg von allen ignoriert. Egal, was für eine Ziffer darauf steht, 70, 50 oder gar auch 30, man fährt grundsätzlich immer in der gleichen Geschwindigkeit von mindestens 100 Km/h. Anfangs hielten wir uns noch stickt an diese Regeln, wurden so aber eher zu Hindernissen und einer potentiellen Gefahrenquelle, dass auch wir uns im Laufe der Zeit an den fließenden Verkehr angepasst haben und seitdem eher zügig unterwegs sind!

 

So, dann ist es soweit, wir erblicken hinter der etwas größeren Stadt Agri den Berg Ararat, unser ganz großes Ziel im Osten der Türkei ein paar Kilometer vor der Stadt Dogubeyazit, der letzten Möglichkeit einer Übernachtung im alleröstlichen Winkel der Türkei. Bis zum Hotel am Rande der kleinen Stadt folgen wir dem Anblick des über 5000 m hohen Berges, dessen immer schneebedeckter Gipfel sich gerade in Wolken hüllt und im Dunst in weiter Ferne aber immer noch auf türkischem Gebiet liegt.  Weiter Richtung Osten geht es für uns nicht. Der Iran und auch Aserbaidschan sind nicht weit, aber aufgrund Coronas sowieso undenkbar schon von Anfang der Planung unserer Reise. Die Grenze zu Armenien ist ohnehin , wegen des immer noch schwelenden Konflikts der beiden Länder geschlossen und undurchlässig. 

Schon bei der Einfahrt bemerken wir den vielen Müll, der entlang der großen 4 spurigen Hauptstraße liegt. Wir und andere Fahrzeuge wirbeln durch den Fahrtwind Plastiktüten auf und im Wind wehen sie dahin. An einer Ampel über fahren wir ein altes Paar Schuhe und Zig Plastikflaschen säumen die Bordsteine. Hier fällt es uns extrem auf, aber schon seit unserer Einreise bemerken wir, dass entlang der gesamten Route mal mehr, mal weniger Müll und Unrat herumliegt. Überall und weit und breit sieht man schon von weitem die unzähligen Plastikflaschen die im Sonnenlicht glänzen, selbst auf den abgemähten Feldern. Bei den kleinen Trinkstopps unterwegs mögen wir uns gar nicht mehr umschauen oder gar ein längeres Päuschen machen und unsere Stühlchen zwischen all dem Müll aufstellen, denn bei genauerem Hinsehen sieht alles noch viel Schlimmer aus. Vom Balkan sind wir ja schon so Einiges gewohnt und wissen der vielen wilden Müllkippen, aber die Türkei schlägt alles um Längen. Ich sage das und hier an dieser Stelle sehr ungern. Die Menschen erfreuen unsere Herzen wirklich mit ihrer enormen Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft, aber auch über dieses unschöne Thema möchte ich berichten, denn es ist wirklich auffällig, denn das widerspricht der warmen, herzlichen Mentalität der Menschen! Vielleicht befindet sich ja unter den Lesern jemand, der mir das erklären kann?

Als wir früh im Hotel einchecken  wollen, dringen wir zunächst gar nicht bis zur Rezeption vor, eine iranische Reisegruppe belagert uns als wären wir das 7. Weltwunder und in kurzer Zeit steht eine Traube Menschen um uns herum. Man fragt uns höflich, ob man uns fotografieren darf. "Sure! No Problem!" Und schon werden Handys gezückt. Wir kommen uns ziemlich seltsam dabei vor bei diesem ungewollten Fotoshooting.

Die iranische Gruppe checkt aus und wir checken ein, im "Grand Aga Hotel" und erhalten ein Balkonzimmer mit Blick direkt auf den Berg Ararat. Uns stockt der Atem, als wir noch verschwitzt und noch in unseren Motorradklamotten auf den Balkon treten. Zwar im Dunst und mit Wolken verhangenem Gipfel zeigt sich uns der Berg!  Wow! Wir stehen wirklich hier... auf dem Balkon in einem Hotel in der Stadt Dogubeyazit am Fuße des Bergs Ararat, an dem der Sage nach Noah mit seiner Arche gestrandet sein soll. Wir sind einfach nur fasziniert von dem Anblick dieses Berges und ein wenig stolz aus das Geleistete, selbst und auf 2x 2 Rädern hierher gefahren zu sein!

Das Elend drum herum nehmen wir zunächst gar nicht  wahr.

Ernüchternd ist dann wieder der zweite Blick. Unser Zimmer ist leider ziemlich runter gekommen und nicht besonders sauber. Zum Wohlfühlen taugt diese Unterkunft leider nicht, abgerissene Schrankgriffe, Steckdosenverkleidungen, die einem beim Anfassen entgegen kommen, unter dem Tisch nicht weg gefegter Müll! Wir sagen mal wieder: "was soll`s"! Der Blick direkt auf den Berg entschädigt für so Einiges!

Nachdem wir den Berg ausgiebig betrachtet haben, lassen wir unseren Blick weiter schweifen aus unserem 4. Stock nach unten. Wir haben freien Blick in Höfe der umliegenden Häuser. Elend tut sich unter uns auf und das macht uns sehr betroffen. Wir sehen nicht nur Vieles sondern hören auch Vieles: Gänseschnattern, Hundegebell, Hähnekrähen, Muhen von Kühen und Määähen von Schafen. Jedes Haus hat einen kleinen, staubigen Innenhof, wo all diese Tiere mit den Menschen auf engstem Raum leben. Auf den kleinen, ungepflasterten Straßen und in den Innenhöfen selbst ist vorher beschriebener Müll zu erkennen. Welcher Kontrast: auf der einen Seite die Schönheit der Natur in Form dieses besonderen Berges und auf der anderen Seite die Armut und der Müll drum herum!

Wir versuchen, das alles zu ignorieren und machen es uns auf dem Balkon so gemütlich. Den einzigen Stuhl, der dort steht, müssen wir erst einmal abwischen, dicke Kleckse weißer Farbe bekommen wir nicht ab und legen ein Handtuch darüber, dann noch etwas Mobiliar aus dem Zimmer dazu gestellt... ja, so geht es! Wir kochen uns einen  Kaffee, mit unserer seit Langem nicht im Einsatz gewesenen Kaffeemaschine und schauen uns einfach nicht um, sondern wollen uns nur an dem Anblick der Berges erfreuen.

Etwas essen müssen wir ja auch noch und begeben uns in die Stadt. Es sind nicht nur die verfallenen Häuser, sondern auch der Müll über Müll in jeder Straße von diversem Plastik bis hin zu alten Rinderknochen und von den streunenden Hunden aufgerissene Mülltüten, die die Menschen vermutlich einfach hier entsorgt haben. Wir sind geschockt! Nein, hier kann man sich nicht wohl fühlen. Es ist das erste Mal, dass ich mich nicht nur unwohl sondern auch unsicher fühle! Wir essen schnell einen Döner in einem ebenso runter gekommenen Imbiss und sind wir froh, unser Hotel auf den wenig beleuchteten Straßen unbeschadet erreicht zu haben.

Am nächsten Morgen entschädigt uns wieder der Blick auf den Berg, denn die Wolken um den Gipfel sind verschwunden und zu erkennen ist seine schneebedeckte Spitze! Auch daneben gut zu erkennen, der kleine Ararat mit fast 4000 m. Wir trinken noch im Schlafanzug einen Kaffee und saugen die phänomenale Ansicht in uns auf. Leider ist es sehr diesig, dass ich etwas enttäuscht von meinen Fotos bin, aber dieses visuelle Erlebnis werden wir wohl nie vergessen!

Trotzdem sind wir froh, diesen schmuddeligen Ort verlassen zu können und begeben uns auf zu unserem nächsten Highlight, dem größten See der Türkei, dem Vansee.

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Kommentare: 2
  • #1

    Gabi Stets (Dienstag, 24 August 2021 22:07)

    So toll und interessant geschrieben. Danke dafür

  • #2

    Heidrun (Mittwoch, 25 August 2021 07:30)

    Vielleicht ist Noah auch weg, weil er einfach Bock auf ein Bierchen hatte…
    Hoch lebe die Doppelmoral…