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Wologda - Kandalakscha



Karelien... Irgend etwas zwischen Harz und Kanada...Oder... Pleiten, Pech und Pannen... Alles wird gut!


Ach!... Die Wettervorhersagen!... Wetter.com, MSN-Wetter usw. verheißen nichts Gutes! Zu gerne hätten wir Eine, die uns Besseres voraussagt!

Zunächst einmal ist es aber trocken als wir Wologda verlassen. Unsere Route geht immer weiter nordwärts  und zunächst bis zu dem kleinen Ort Pudosch in Karelien. Bis dahin sind es über 400 km. 

Gleich nochmal volltanken, wer weiß, das Tankstellennetz ist hier oben nicht sooo groß!... Und dann passiert es überraschend! An der Zapfsäule bemerke ich nicht, dass mein Motorrad nicht richtig auf dem Ständer steht und als ich beim Absteigen bin, kippt es mir nach rechts weg direkt auf die Kante an der Säule. Und da liegt es über 200 kg schwer, mein Bein konnte ich noch rechtzeitig weg ziehen.

Da denkt man, Russen im Allgemeinen sind hilfsbereit... nein, nicht alle... ach, wie bei uns, es gibt immer so`  ne uns so´ ne... ein Herr, der an der anderen Säule tankt, schaut zwar etwas erblüfft (oder lacht in sich hinein und denkt machomäßig:"typisch Frau!", fährt aber von dannen, auch die Tankfrau rührt sich nicht (ok, sie hat Frauenbonus!)

Aber wir schaffen es auch zu zweit, die Kiste wieder aufzustellen. Zum Glück ist nichts weiter passiert, außer dass eine Halterung des Koffertägers abgebrochen ist und der Koffer auf halb acht hängt! Mein lieber Mann fixiert ihn mit Spanngurten topp fest und wir können ohne Probleme weiter fahren.

Es beginnt erst zu nieseln, der Niesel geht in kräftigen Regen über, noch dazu ist es nebelig und echt bitter kalt. Wir passieren fast unbemerkt die "Grenze" zu Karelien. Um Landschaft wahr zu nehmen, ist zu dunstig und man muss sich  voll auf Straße und Verkehr konzentrieren. Durch das Visier kann man eh nur das Nötigste erkennen. Noch dazu habe ich Wassereinbruch in meine Hose sowie in die Stiefel. Ich sitze förmlich im Wasser und die Füße quotschen nur. Wir müssen auf alle Fälle eine Pause machen, aber es kommt  kilometerweit nichts, kein Ort, keine Möglichkeit, irgendwo einzukehren. So schnell zittern kann ich gar nicht wie ich friere! Alles ist doof!!!!

Dann kommt doch eine Ortschaft und das typische blaue Schild mit dem Messer und Gabel... Aber außer einem "Produkti- Laden" (So was wie ein Tante-Emma-Laden, diese Läden gibt es überall) sehen wir nichts. Bibbernd betreten wir Diesen. Wir sehen zwar nicht besonders gepflegt aus, aber lächelnd und entschuldigend mit unseren paar Brocken Russisch und gestikulierend machen wir höflich verständlich, was wir wollen. Sie, die mächtige Erscheinung einer Verkäuferin, scheint nur ein einziges Wort zu kennen, dass da heißt :"Njet!"  Wahrscheinlich hat sie noch nie einen Ausländer zu sehen bekommen, geschweige denn ausländische Motorradfahrer. Eine Pfütze in ihrem Laden hinterlassend, für die wir uns NICHT entschuldigen, müssen wir wohl oder übel weiter. Berts Klamotten halten dicht, meine nicht und ich bin leider am Rande eines Nervenzusammenbruchs...

Leider gibt es keine Alternative, wir müssen weiter. Es schüttet und schüttet. Ich kann nur noch mein Motorrad geradeaus halten. Es gibt so Situationen, da kann man einfach nicht raus. Hier gibt es kein "es geht nicht mehr weiter"... Dann würden wir in der Mitte vom Nichts stecken bleiben. Also gibt es immer ein: "Es geht doch weiter".

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir eine Raststätte. Eine Gute noch dazu, zum Glück! Es ist warm, sauber und es gibt eine warme Bortsch und heißen Tee.Ich löffele gleich 2 Suppen hintereinander. Hier kann ich auftauen! Wir bleiben über eine Stunde und sprechen über eine eventuelle Änderung der Route, nicht weiter Richtung Norden, sondern so bald als möglich "rechts raus"... Nach Hause?Zuhause ist auch über 2500 Kilometer weit weg! ... wir sind so ewig weit weg von Allem! Wollen wir wirklich aufgeben? Die Antwort ist fast klar!

Noch ca. 100 km, dann müssen wir wirklich entscheiden, da gabelt sich die Straße.

Tatsächlich finden wir noch eine Einkehr vor dieser Gabelung, an einer "Raststätte" trinken wir Tee und wälzen die Wetterberichte. Es soll ja besser werden...! Es wäre wirklich zu schade, wenn wir unseren Plan bis hoch nach Murmansk zu fahren, nicht verfolgen würden. Und wegen einem oder zwei Regenfahrten zu "kapitulieren"? Wir wollten es doch so, mit schlechtem Wetter mussten wir einfach rechnen! Wir machen uns selber Mut! Was soll´ s , wir fahren erstmal bis zum Etappenziel nach Pudosch und wenn es Morgen Früh noch immer wie aus Eimern regnet, dann kehren wir um... Aber erstmal geht es weiter wie geplant. Wir reißen uns zusammen und ich mich um so mehr! Wir schlürfen unseren Tee, noch etwas über 100 km bis Pudosch.

Dann kommt wieder so eine kleine, nette, ungeahnte Begegnung daher, die etwas ablenkt! Ein Motorrad parkt neben den Unseren und eine junge Frau  kommt genauso durchweicht wie wir, rein. Wir kommen ins Gespräch, sie ist Mitglied eines Frauenmotorradclubs "Walküren...etwas" und reist durch Karelien. " Ja, Mistwetter!° Sie wringt ihre leicht pinkfarbenen Zöpfchen aus. Alles passt bei ihr zusammen, das Motorrad mit pinkenen Sturzbügeln, der Helm in Pink und auch die Fingernägel sind passend abgestimmt.

Wir fahren dann noch eine Weile zu dritt durch den Regen...

Voll fertig erreichen wir unser Hotel in Pudosch bei 8 Grad, dunklen Wolken und Regen, Regen, Regen. Dass wir uns am Onegasee, dem zweitgrößten See Europas befinden, ist uns gar nicht bewusst. Dafür haben wir momentan so gar keinen Sinn.

Ich dusche stundenlang heiß, wir essen und fallen tot ins Bett.

Und...

Nach Regen folgt Sonne... Tatsächlich... Am nächsten Morgen sehen wir etwas Sonne, die in unser Zimmer schaut! Die Entscheidung fällt nun definitiv: WIR SETZEN DIE REISE WIE GEPLANT FORT!

Vorsichtshalber steige ich in Plastiktüten, um die Nässe in meinen Stiefeln abzuhalten. Es ist zwar frisch draußen, anderes haben wir auch nicht erwartet, aber es ist schon mal etwas wärmer als gestern, trocken und ein Stück blauen Himmels können wir auch sehen! Bert macht die Maschinen klar, ölt die Ketten und mein Koffer hält Dank der Spanngurte super fest. Wir mummeln uns ein und viel besser gelaunt als gestern gehen wir in die nächste Etappe, eine der längsten der ganzen Tour. Wie weg geblasen sind die Strapazen des gestrigen Tages!

Kem am Weißen Meer ist unser Ziel. Die Straße führt schnur geradeaus und heute haben wir wieder ein Auge für die Natur. Wir könnten im Harz, in der Heide und vor allem aber in Kanada sein! Wald, ein weites Land, Laubwald, Tannenwald, sandige Böden, Heidekraut, später sumpfig. Immer weiter geht es Richtung Norden, Kilometer um Kilometer. Aber es macht wieder Spaß, trockenen Fußes zu fahren. Es gibt wenige Ortschaften entlang der erstaunlich gut ausgebauten Straße, sodass wir gut durch kommen. Nur eine riesen Baustelle bremst uns kurz etwas aus.

Unser Hotel, bzw. Hotelkomplex, liegt außerhalb von Kem, direkt am Anleger zu den bekannten Solovetzki- Inseln (die werden wir auf der Rückreise von Murmansk besuchen und hier noch einmal einkehren).

Kem.... am Weißen Meer, einem Nebenmeer des Polarmeeres!...Hier legen die Fähren nach Solovki ab, einer der Touristen Hotspots  Russlands, so lesen wir. Das verheißt, dass der Ort eine Touri- Hochburg ist. Wir fahren am Fluss Kem entlang und was sich uns auftut , ist erschreckend. Kem, wir fahren ja nur durch, ist ziemlich schmutzig, verfallen und alles andere als einladend und auf keinen Fall Touri - Hochburg!

Unser Hotel "Prichal" hingegen ist ein richtiger Resort und Komplex, englischsprachige Rezeptionistin und unser Zimmer super. 

Wow!... Nochmal... wir sind am Weißen Meer, ein Nebenmeer des Arktischen Ozeans!!! Hier ist alles still, eigentlich schön, aber trotzdem  ein unwirtlicher Ort, verfallene Holzhäuser auch hier... 

Wir essen zu Abend im"Resort - Restaurant" Schade, bei all der Ruhe dudelt doch wieder laute Musik und die Fernseher mit den Musikvideos sind all gegenwärtig. Eine englischsprachige Karte wird uns gereicht und wir bestellen ein Sirloin - Steak... Und was kommt?... Eine Boulette!!! Mit der Bedienung diskutieren? In welcher Sprache, nein, das würde eh nichts bringen... Wir lachen uns an und essen unsere Boulette, die übrigens viel besser schmeckt als die in Susdal!

Irgendwie scheint es eine Mentalitätsfrage zu sein. Leise geht es, egal wo wir uns in Russland befinden,irgendwie nicht...  In den USA  sind  Fernseher überall in Resaturants und Bars...Wäre es umgekehrt, würde sich sicher ein Russischer Tourist bei uns die Frage stellen, warum es in Deutschen Restaurants so still ist... Darüber und über die Auslegung der Speisen und kulinarischen Vorlieben in beiden Ländern sprechen wir noch eine Weile.

Ich könnte mich noch über Frühstücksgewohnheiten auslassen, aber das würde jetzt den Rahmen sprengen!...

Letztes Jahr war das noch eine kleine Überwindung, aber dieses Jahr habe ich mich an Tee, löslichen Kaffee, fettiges Spiegelei, vielleicht auch an den "Brei", dem  süßen Porridge mit Milch oder den "Pancakes", dünne Pfannkuchen mit übersüßter Kondensmilch, gewöhnt... 

Wie heißt es so schön andere Länder, andere Sitten!

 

Kem verlassen wir Richtung Murmansk, der einzigen Straße, die Richtung Norden führt. Einmal wollen wir noch vor Murmansk übernachten. Wir machen wieder vorsichtshalber die Tanks voll. Die Straße führt schnurstracks geradeaus und wieder über Hundert Kilometer keine Raststätte, Tankstelle, Ort oder irgendetwas. Das Wetter spielt zum Glück mit, es sind gut über 10 Grad, trocken und die Sonne kommt sogar auch mal hinter den Wolken vor. Rechts und links der Straße Mischwald mit vielen Birken, Seen, Sumpf und sehr wenig Verkehr. Mal der ein oder andere LKW, ein paar PKWs, sonst nichts und immer wieder das gleiche Bild! Die Menschen, die hier unterwegs sind, scheinen Urlaub zu machen. Viele Autos, in die wir hinein schauen sind voll gepackt, Dachgepäckträger auf großen SUVs (die man hier sicher besser gebrauchen kann als bei uns ;-) ) Bestimmt kann man hier ganz toll wandern gehen oder Angelurlaub machen, Offroad oder Adventuretours machen.

Wie froh wir sind, dass wir dem Regen und der Kälte getrotzt haben. Also, es stimmt: nach Regen scheint wieder Sonne! An einer der wenigen Raststätten machen wir halt, essen wieder Bortsch und trinken wieder heißen Tee. Wir treffen auf 2 andere Biker aus Moskau, die zum Bikertreffen "Arctic-Rider-Festival" nach Murmansk wollen. Mit Händen und Füßen und ein paar Brocken Englisch wünschen wir uns gute Weiterfahrt.

Und dann kommt er ganz überraschend und unspektakulär daher, der POLARKREIS!

Fast hätten wir ihn verpasst, das Schild versteckt ganz und nüchtern sich hinter einem Baum. Wir treffen die Moskauer Biker wieder, machen gemeinsam unter dem Schild des Polarkreises ein kleines Fotoshooting und weiter geht es.

 

An einer Baustelle passiert es ... Beim Überfahren eines der vielen "Huppels" springt meine Kette ab. Das ist wie beim Fahrrad, ein Weiterfahren ist nicht möglich. Wir kommen zum Glück unbeschädigt auf dem Seitenstreifen zum Stehen. Alleine wäre ich voll aufgeschmissen. Mein lieber Mann zieht sich Handschuhe an und binnen einer Viertel Stunde können wir weiter. Zumindest bis zu unserem Ziel Kandalakscha. Dann werden wir weiter sehen.

Wir beziehen unser Hotel, das Zimmer ist geräumig und sauber, das Essen im Restaurant lecker (ohne Boulette... hier versteht man uns ;-) ) . Wir machen einen kleinen Spaziergang durch diese typisch russische Kleinstadt, Plattenbauten, das übliche, leicht verschmuddelte Bild! Das Wetter ist sogar angenehm. Wir würden uns echt gut fühlen, wenn da nicht das kleine Problem der Kette wäre. Sie ist zu ausgeleiert, dass ich nicht weiter fahren kann, nach über 10000km kann das mal vor kommen!

Erst mal drüber schlafen. Wir haben ja fast Polartag, zumindest ist es um 22.00 Uhr noch nicht dunkel...

Am Morgen scheint sogar die Sonne in Kandalakscha.

Wir haben ja aus Erfahrung des letzten Jahres für jedes Motorrad eine Kette dabei. Bert beschließt, es erstmal selbst zu probieren, ohne eine Werkstatt aufzusuchen, kleines Werkzeug ist ebenfalls im Gepäck. Nach dem Frühstück macht er sich ans Werk... Egal, wenn wir heute erst spät in Murmansk ankommen, die Hauptsache, wir kommen überhaupt los! Und siehe da, es klappt alles und nach einer Stunde habe ich eine neue Kette am Motorrad. Bert will noch bei seinem Öl nach schauen und kippt... der Parkplatz ist wie so oft nicht gepflastert, schottrig und uneben, auf die Seite. Wieder ist zum Glück nicht viel passiert! Einen großen Kratzer an der Verkleidung und ein abgebrochener Blinker! Wir nehmen auch dieses Ereignis gelassen. Heute wollen wir Murmansk erreichen!

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Kommentare: 4
  • #1

    Andrea (Freitag, 09 August 2019 07:34)

    Ach ihr habt aber auch ein Pech mit dem Wetter...�und soviel kleine Pannen.. sabine du bist echt tapfer...ich und nass werden beim Wandern und schwupps ist meine Laune im Keller und wahrscheinlich Thomas irgendwie dran Schuld �
    Aber ich hoffe die schöne gemeinsame Zeit mit vielen schönen Erlebnissen überwiegt bei euch ...weiterhin eine gute Fahrt ihr Zwei �

  • #2

    Heidrun (Freitag, 09 August 2019 08:39)

    Von der MIG, ich glaube 23 hast du gar nichts erzählt, heißer Vogel...

  • #3

    Christian Hammann (Montag, 12 August 2019 21:51)

    Da bin ich aber froh das beim Umkippen nicht noch mehr passiert ist und das die Sonne wieder Oberhand gewonnen hat.. Welche Erlebnisse.. LG Chrischaaan

  • #4

    Sabine (Donnerstag, 15 August 2019 14:41)

    Ihr lasst aber auch nichts aus!!! Zum Glück ist nicht mehr passiert. Ich hoffe, ab sofort passiert nichts Schlechtes oder Schlimmes mehr!
    LG Sabine