Stalinkult, Rucksacktouristen und Glitzerwelt... auch das ist Georgien!
Von dem kleinen Ort Bibiliani im Kaukasus, der auf keinem unserer Navis zu finden ist, wollen wir bis nach Gori, unserem nächsten Etappenziel, weniger als 200 km entfernt. Die Straße ist gut ausgebaut, es ist noch früh und wir können trödeln. An einem Aussichtspunkt halten wir, eine schöne Sicht über einem See und den Kaukasus. Mit uns pausieren auch hier wieder unzählige Touristen. Anscheinend ist Georgien samt des Kaukasus doch nicht so unbekannt, wie wir dachten. Wir steigen ab und werden auf Deutsch angesprochen. Wir begegnen Margot und Jürg aus Zürich! Den halben Vormittag verbringen wir an einem staubigen Bushäuschen gegenüber des Aussichtspunktes mit ihnen. Sie sind so sympatisch, dass wir uns schnell in einem sehr persönlichen Gespräch befinden. Sie sind mit einem riesigen MAN-Truck unterwegs, haben in der Schweiz alles verkauft und hinter sich gelassen und nun als "Overlander" unterwegs. Sie wollen weiter in den Iran und dann... mal sehen... Wir tauschen Nummern aus, hoffentlich hören wir öfters von Ihnen!
Gori erreichen wir dann doch etwas verspätet. Diese Kleinstadt, vielleicht so wie Peine, wäre wohl sehr unbedeutend, wenn sie nicht die Geburtsstadt von Joseph Stalin wäre! Wahnsinnig viele Touristen tummeln sich auch hier. Es gibt ein Stalin-Museum. Das scheint der Anziehungspunkt zu sein! Schnell die Motorräder abgestellt und frisch gemacht, wollen auch wir dieses Museum besuchen. Sehr schnell merken wir, hier ist wird ein Teil der Wahrheit gern verschwiegen. Stalin wird als großes Vorbild verehrt. Nichts deutet auf einen grausamen Diktator hin. Heroische Bilder... Stalin in Großvormat hier, Stalin an seinem Schreibtisch da, Stalin mit einem Kind im Arm! Stalin, der große Held! Touristen fotografieren sich mit seinem Abbild! Im Shop gibt es Souveniers, T-Shirts, Büsten, Tassen etc. Uns wird das zuviel.... kein Wort über Gräueltaten, Vertreibung, Verbannung und Gulag! ... Deutsche Touristen haben wir nicht ausgemacht, aber viele Russen und Touristen aus aller Herren Länder. Uns würde interessieren, was sie davon halten!... Sogar das Geburtshaus des großen Vaters steht nachgebaut auf dem Vorplatz und sein Eisenbahnwagon! Nein, dem können wir nichts abgewinnen und verlassen schnell diesen Ort, schlendern lieber etwas durch Goris Altstadt, in der Ferne sehen wir ein Castello! Dummerweise haben wir uns kaum mit den Sehenswürdigkeiten Georgiens auseinandergesetzt! Dieses Land war ja nur als Durchreise gedacht. Aber ein wenig mehr an Vorbereitung hätte auch nicht geschadet. Jetzt ist es zu spät. Wir essen gut und wollen in unserer Pension etwas entspannen und früh schlafen gehen. Aber es kommt, wie so oft auf unserer Reise, anders als geplant...
Unsere Unterkunft ist alles andere wie beschrieben. Das Zimmer ist eng, muffig und ziemlich (ich untertreibe) unsauber.... Das haben wir vorhin gar nicht so ganz wahr genommen! Die Dame des Hauses ist völlig aufgesetzt freundlich... " Ohhhh, I love Bikers! Welcome, welcome!"... ist das die Georgische Gastfreundlichkeit?... Hoffentlich und sicher nicht repräsentativ!...Wir haben gelernt, alles gelassen zu nehmen und halten uns lieber auf den Plastikstühlchen vorm Zimmer im Innenhof des Gasthauses auf. Es ist früher Abend, Bert programmiert die Navis, ich möchte Blog schreiben. Da gesellt sich ein Thailändisches Pärchen zu uns, wir sind exotisch für sie und umgekehrt sie für uns. Wir erfahren, dass sie in Abu Dhabi arbeiten, er als Ingenieur... Sie gehen früh schlafen... und wir genießen weiter die Ruhe... bis... sich ein russisches Ehepaar zu uns gesellt. Aus Ufa im Ural. Julia und Vasyl, ihre Kinder mussten schon schlafen gehen Sophia, Djenia und Fjiodr... Nr. 4 ist auch schon dabei, Julia ist schwanger, Termin November. Julia spricht gut Englisch und Vasyl ein wenig Deutsch.... und wir: "sorry, we don´t speak Russian". Sie machen Urlaub in Georgien, geben uns ein paar Tipps und zeigen uns Fotos. Auch Julia kann nicht verstehen, warum die Taten Stalins im Museum nicht erwähnt werden. Sie ist unserer Meinung. Morgen wollen sie auch mal hin. Es ist schon nach Mitternacht und wir tauschen noch Facebook-Kontakte aus..."We keep in contact" und hoffen das wirklich. "Good-Night", wir sehen uns noch beim Frühstück.
Das Frühstück, was Tamar, die Wirtin, uns serviert ist mal wieder sehr fettig. Das Omelett mit Wurst schwimmt im Fett. Auch hier der üblich lösliche Instantkaffee. Wir haben uns zwar mittlerweile dran gewöhnt, freuen uns aber jetzt schon auf den ersten Morgenkaffee aus unserer Kaffeemaschine Zuhause!
Es gibt noch eine große Verabschiedung mit Julia, Vasyl und den Kindern und dann fahren wir weiter nach Kutaissi, eine Großstadt zwischen Gori und Batumi. Diese liegt auf unserer Strecke, wir haben sie zufällig gewählt. Ein diesmal gewähltes Hostel, unser Zimmer soll aber eigenes Bad und Balkon haben, so verspricht unser Buchungsportal, finden wir auch auf Anhieb bei schwüler Hitze. Durch einen verzwickten Korridor zeigt man uns unser Zimmer. Etagenklo, schmuddelig, Balkon eher eine Attrappe. Bert und ich schauen uns an, kurzer Hand und spontan, entscheiden wir uns zum Nichtbleiben, setzen uns ins nächste Cafe ...wow... - hier hat es nette Cafes zum Draußensitzen- und buchen schnell ein anderes Hotelzimmer, fast um die Ecke. Das liegt idyllisches an einem Flüsschen und hat allen Komfort, den wir uns so durchgeschwitzt jetzt wünschen. Das war eine gute Entscheidung!
Auch hier sind wir angenehm überrascht. Die Stadt hat eine Uni und schön restaurierte Gebäude. Es scheint viel zu sehen zu geben, sonst hätte es hier ja nicht so viele Touristen! Auch Deutsch hören wir des Öfteren. Nur eine Nacht und wir sind wieder weg!
Auch die letzte Etappe in Georgien hat wenige Kilometer. Der Wind hat völlig aufgegeben, es ist nach wie vor schwül heiß mit hoher Luftfeuchtigkeit, trotzdem tragen wir brav unsere Motorradklamotten mit Warnweste. Die Straße ist gut ausgebaut, der Verkehr, Überholmanöver inklusive, typisch georgisch chaotisch. Russland war schon, wie oft beschrieben gewöhnungsbedürftig, aber der georgische Verkehr steigert das noch erheblich. Wichtig sind Hupe und Warnblinker. Hupe heißt: Achtung, besser, du fährst gleich beiseite, denn ich überhole. Oder Hupe bedeutet: "Lieber Gegenverkehr, es kommt jemand auf deiner Spur entgegen." Warnblinker vor dir bedeutet: " Achtung, ich stoppe... vielleicht für einen Fußgänger! Also, fahr mir nicht hinten drauf!"
Auf guter Straße erreichen wir serpentinenmäßig Makhinjauri, einen Vorort von Batumi. Unser kleines Hotel "Green Home" finden wir sogar mal wieder schnell. Auch hier entspricht es leider nicht den Tatsachen von unserem Buchungsportal, aber das ist uns momentan völlig egal. Der Strand ist fußläufig, wir haben eine kleine Terrasse für uns und.... eine Waschmaschine... Schnell mal machen wir die kleine Wäsche, wir haben 2 Tage!
Batumi.... das Las Vegas des Ostens... in der Ferne sehen wir Glitzer und Geblinke... Wir gehen an den Strand. Wieder durch Zufall treffen wir auf einen deutschsprachigen Russen..."Wenn ihr nach Batumi rein wollt, nehmt Bus Nr. 31! Das kostet wenig und halten tut er so gut wie überall!"... Guter Tipp, das machen wir. Wir können schon einmal checken, wo das Büro der Ferrylines ist etc. Zumal wir Übermorgen unsere vor reservierte Fähre nach Burgas/Bulgarien erreichen müssen. Das Büro finden wir in einem alten Plattenbau...es ist geschlossen...Hafeneinfahrt? ...keine Ahnung, wo die sein soll! In der Touristinfo von Batumi sagt man uns, dass am Wochenende nicht gearbeitet wird, klar, bei uns ja auch nicht! Am Montag, wenn die Fähre ablegen soll, sollen wir uns im Büro melden. Ok, dann fahren wir zurück, genießen die Freizeit, einen genialen Sonnenuntergang und ein geniales Abendessen in einem kleinen Strandlokal.
Am nächsten Morgen wollen wir ein wenig Sightseeing machen. Batumi ist ein Muss. Mit dem Minibus 31 (ein Erlebnis) fahren wir stadteinwärts. BATUMI... wie schon gesagt, ist das Las Vegas des Ostens, mit Spielcasinos etc. "Schön kann das wohl nicht sein", so denken wir! Wir werden angenehm überrascht. Ein Mix aus Las Vegas, Paris, Venice Beach und dem Plattenbaucharme der untergegangenen Sowjetunion! Kleine Gassen, große Hotelkomplexe, Straßencafes und Restaurants, ein Gewusel von Menschen verschiedener Nationen. Trotz der schwülen Hitze ist es ein schöner Sonntagsvormittagsspaziergang und wir kommen aus dem Staunen nicht mehr raus!
Durch Zufall geraten wir ins türkische Viertel und nehmen noch einen Imbiss in einem der zahlreichen Lokale. Super lecker! Bus 31 bringt uns wieder günstig zum Quartier. Zeit für ein Bad im Schwarzen Meer, passend, sich bei der Hitze abzukühlen. Unser Vorhaben können und wollen wir dann doch nicht durchsetzen, Müll über Müll schwimmt da rum, Plastiktüten, Flaschen etc. Das haben wir gestern gar nicht so wahr genommen! Es wird uns hier einmal mehr bewusst, wie die Menschheit die Natur verschmutzt!...
Jetzt heißt es Umpacken für die Fähre... was ist am Sinnvollsten? Schließlich werden wir fast 3 Tage auf See sein, so alles klappt!... Ich bin noch nie auf so einem großen Schiff gefahren... Hilfe... Und dann .... unsere Gedanken schlagen Kapriolen... unsere Reise geht wohl doch langsam zu Ende... Nein... ab Burgas haben wir noch 6 Tage... quer durch Bulgarien, Serbien, Ungarn, Tschechien...
Wir genießen trotzdem unser Essen bei Sonnenuntergang im gleichen Lokal wie gestern und lassen den Abend ausklingen.
Wir müssen auch nicht so früh los, die Dame in der Touriinfo sagte, dass die angegebenen Öffnungszeiten eh nicht stimmen, man arbeite dort ab 12.00/13.00 Uhr. Vor dem Büro im abgewrackten Plattenbau, 1. Etage Pbm-Ferry-Line warten schon allerhand Leute. Auch Stefan aus der Nähe von Dresden, der mit dem Fahrrad unterwegs ist. Supernett, es bringt etwas Abwechselung in die Warterei. Pässe und Fahrzeugpapiere werden schon mal kopiert und man sagt uns, dass wir angerufen werden und dann die Papiere für die Hafeneinfahrt im Büro erhalten werden. Wann? Na so, ab ca.22.00 Uhr, kann auch Mitternacht werden.
Oh, mein Magen dreht sich erneut. In der Nacht hatte ich arge Bauchkrämpfe, samt Durchfall und K...., habe kaum ein Auge zugetan. Von wegen robuster Magen! Mit Buskopan und Immodeum habe ich mich gedopt und reiße mich sehr zusammen. Was machen wir nur bis heute Abend in der schwülen Hitze? Das kann ich mir gar nicht vorstellen, ich glaube, das halte ich nicht aus. Eine gute Idee von Bert, wir buchen ein günstiges Hotelzimmer. Stefan schließt sich uns an. Ich verbringe den Nachmittag dösend und halb im Delirium im Bett. Keine Ahnung, was ich mir da eingefangen habe! Bert hat zum Glück nix. Am frühen Abend wird es zum Glück etwas besser und ich schreibe den Blog.
Mal sehen, wie das ausgehen wird... Die Fähre soll am Donnerstag Burgas erreichen! Noch sind wir nicht eingecheckt!
...
Kommentar schreiben